Eine skandalöse Braut
mochte, eines wusste sie: Der Mann, der in ihr Schlafzimmer eingedrungen war, gehörte zur feinen Gesellschaft. Plötzlich freute Amelia sich auf den Abend, der vor ihr lag. »Ich glaube, ich trage das azurblaue Seidenkleid«, sagte sie leise. Zu ihrer eigenen Überraschung begann sie sogar zu überlegen, wie sie ihr Haar frisieren lassen wollte.
Als sie eine halbe Stunde später die Treppe hinabschritt, fand sie ihren Vater im Salon. Seine Miene war undurchdringlich, und er hielt ein Glas Sherry in der Hand. Als sie eintrat, wandte er sich zu ihr um. Er war nie freundlich und warmherzig, aber heute hatte sie das Gefühl, besonders grimmig von ihm in Augenschein genommen zu werden. »Möchtest du ein kleines Glas Sherry, ehe wir aufbrechen, Amelia?«
Sein Glas war halb voll. Es wäre wohl klüger, wenn sie sich auch ein Glas geben ließ, an dem sie nippen konnte, während sie steife Konversation machten, bis er sein Glas geleert hatte. Sie nickte und entschied sich für einen eleganten Polstersessel, auf dem sie sich niederließ und geziert ihre Röcke ordnete, während er ihr einen Sherry eingoss und ihr das zarte Kristallglas kredenzte.
»Ich finde, du solltest den Schmuck deiner Mutter lieber in meiner Schatulle verwahren«, informierte er sie knapp, nachdem er ihr das Glas überreicht hatte. »Ich habe allen Grund zu der Annahme, dass einer unserer Diener nicht vertrauenswürdig ist.«
Sie verharrte mitten in der Bewegung. »Was … wieso?«
»Jemand ist in mein Arbeitszimmer eingedrungen und hat meinen Schreibtisch durchsucht.« Er setzte sich nicht wieder hin, sondern ging zu einem Chippendaletischchen in der Ecke und betrachtete finster eine kleine, mit Perlmutt überzogene Statue. »In diesem Haus gibt es viele Wertgegenstände, aber die meisten kann man nicht einfach raustragen. Schmuck ist klein und kann in einer Hosentasche oder einem kleinen Beutel versteckt werden. Die Ohrgehänge mit Diamanten, die ich dir zum Geburtstag geschenkt habe, sind ein Vermögen wert und leicht zu verbergen.«
Er meinte die Diamantohrringe, die er ihr zum siebzehnten Geburtstag hatte schicken lassen, zusammen mit einer kurzen Nachricht, in der er erklärte, er sei in London unabkömmlich und könne nicht aufs Land reisen, um gemeinsam mit ihr zu feiern.
Der dunkelhaarige Mann auf meinem Balkon …
Es war kaum vorstellbar, dass es zwei geheimnisvolle Eindringlinge gegeben hatte. Vorsichtig fragte sie: »Hat er … also … wer immer in deinem Arbeitszimmer war, hat er etwas entwendet?«
»Nicht, soweit ich sehen kann. Mir sind nur die geöffneten Schubladen aufgefallen, ehe ich nach oben ging, um mich fürs Dinner umzukleiden. Ich habe die Dienerschaft befragt, aber keiner hat seine Schuld eingestanden.«
Wenigstens war ihr faszinierender, verführerischer Besucher kein Dieb. Ein Eindringling war er nichtsdestotrotz. »Ich bezweifle, dass einer von ihnen etwas klauen würde«, bemerkte Amelia. »Robert und James sind Brüder. Keiner von ihnen würde die Stellung des anderen in Gefahr bringen. Dem Koch gefällt es viel zu sehr, sein Regiment in der Küche zu führen, und Perkins ist peinlich genau darauf bedacht, die Dienstmädchen zu überwachen.«
»Robert und James?«
»Deine Lakaien«, fügte sie ironisch hinzu.
»Du bist viel zu vertraut mit unserer Dienerschaft, wenn du die Vornamen der Leute kennst.« Ihr Vater runzelte die Stirn.
Sie war so vertraut mit der Dienerschaft, da sie einsam und allein auf dem Landsitz aufgewachsen war, wo sie niemanden sonst hatte. Dadurch war ihr auch ein Mangel an Snobismus zu eigen, denn wenn sie ehrlich war, waren die Diener in Cambridgeshire viel mehr ihre Familie gewesen als ihr Vater. Als sie schließlich nach London kam, um offiziell in die Gesellschaft eingeführt zu werden, war es ihr ganz natürlich vorgekommen, die Diener hier ebenso ungezwungen zu behandeln, obschon sie die Männer und Frauen noch nicht so lange kannte.
»Vielleicht hast du vergessen, die Schubladen abzuschließen«, schlug sie vor und nippte an der goldenen Flüssigkeit, während sie versuchte, sich einen Grund auszumalen, weshalb ein adeliger Gentleman riskierte, in das Haus ihres Vaters einzubrechen und sein Arbeitszimmer zu durchsuchen. Es ging ihm nicht ums Geld. Sie hatte ihm geglaubt, als er ihr versicherte, er bräuchte keins. Seine Kleidung und die Art, wie er sich bewegte, zeugten von Wohlstand. Nein, er war kein Mann, der des Geldes wegen stahl.
»Ich würde nie vergessen, beide
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