Eine skandalöse Braut
ursprünglich in diese missliche Lage geraten war. Die Klatschbasen würden nicht eine dieser Tatsachen über ihn glauben, bis auf seine Schwäche für alle möglichen Jungfern, nicht nur solche, die in Not geraten waren.
»Ich möchte euch um die gebührende Verschwiegenheit bitten, denn die Angelegenheit ist für meine Großmutter sehr wichtig. Ich weiß bloß, dass vor vielen Jahren – es sind tatsächlich schon Jahrzehnte – die Schwester meines Großvaters eine verbotene Affäre mit Lord Hathaways Vater unterhielt. Sie war unverheiratet und jung, wohingegen er verheiratet war und sich unehrenhaft verhielt. Sie starb schließlich bei einem Unfall, und er starb anschließend durch die Duellpistole meines Großvaters. Was der Schlüssel damit zu tun hat«, fügte er hinzu, »weiß ich selbst nicht genau.«
»Das klingt interessant«, murmelte Michael.
»Stimmt.« Luke nickte nach kurzem Überlegen. »Also gut, betrachte das Thema als erledigt. Sobald du mehr erzählen kannst und willst, werde ich gerne zuhören.«
Diskretion war für alle drei kein Fremdwort. Sie wechselten das Thema und diskutierten über Lord Liverpools neue Strategien. Sie waren sich in den meisten Punkten einig, und wenn einer eine andere Meinung vertrat, ließen sie diese ebenso gelten. Nachdem sie eine zweite Flasche geleert hatten, verließ Alex den Klub. Die verführerische Tochter Lord Hathaways hatte er derweil vergessen.
Zumindest redete er sich das ein.
Irgendetwas stimmte nicht mit ihr. Sich für den Ball anzukleiden barg für sie nicht den geringsten Reiz. Sollten junge Frauen wie sie sich nicht nach den Oberflächlichkeiten und dem Glitzer der Ballsäle, nach einer endlosen Reihe Partys sehnen? Sie müsste doch eigentlich stundenlang darüber nachgrübeln, welches Kleid ihr so sehr schmeichelte, dass alle Gentlemen zu ihren Füßen niedersanken, oder? Stattdessen durchwühlte Amelia ihre Kleider mit Desinteresse.
Schließlich entschied sie sich für das aus blauer Seide, um Tante Sophia zu gefallen, die für die Farbe des Stoffs geschwärmt hatte, seit der Schneider den Ballen aus einem Berg an Stoffvorräten gezogen hatte, während seine Mitarbeiter Amelia nicht von der Seite wichen und eine gefühlte Ewigkeit ihre Maße nahmen.
Obwohl sie wusste, dass ihr Vater ein kleines Vermögen in ihre Garderobe investiert hatte, störte Amelia das bange Gefühl, es handelte sich bei dieser Extravaganz nicht um eine väterliche Großzügigkeit, sondern entsprang lediglich dem Wunsch, möglichst rasch eine passende Ehe für sie zu arrangieren.
Das ist absolut akzeptabel, dachte ein rationaler Teil von ihr. Genau das wünschte sich jeder Vater für seine Tochter.
Völlig inakzeptabel, widersprach ein anderer Teil von ihr aufs Heftigste. Er hatte noch nie viel Anteil an ihrem Leben genommen. War es nicht ungerecht, wenn er jetzt versuchte, sie loszuwerden, sobald sie alt genug für ihre erste Saison war? Bisher hatte sie auf dem ländlichen Anwesen der Familie gelebt und ihren Vater nur gesehen, wenn er geschäftlich dort zu tun hatte. Ihre Ankunft in London hatte an ihrem Verhältnis nichts geändert. Sie sprachen kaum miteinander, und wenn doch, waren es nur höfliche Floskeln beim Abendessen. Da ihr Vater ziemlich oft im Klub aß, kam das selten genug vor.
Mit anderen Worten: Er führte sein Leben weiter, als existierte sie überhaupt nicht. War das der Grund, warum sie ihm nicht von dem Mann auf ihrem Balkon erzählt hatte?
Vielleicht. Oder es lag daran, dass sie noch immer an das rabenschwarze Haar, ein Paar bestechend dunkle Augen und ein in der Dunkelheit aufblitzendes Lächeln denken musste. Und dieser Kuss … Nun, sie musste zugeben, dass sie nicht sicher gewesen war, was sie bei ihrem ersten Kuss erwarten würde. Aber diese Erfahrung hatte sich als sehr interessant erwiesen.
Nein, das war das falsche Wort, dachte sie und durchquerte den Raum, um nach ihrer Zofe zu klingeln. Belebend. Bezaubernd. Mitreißend.
Nein, immer noch falsch.
Herrlich verboten.
Sie hatte noch nie etwas Verbotenes getan. Bis er kam.
»Miss?« Ihre Zofe Beatrice betrat das Gemach. Das dunkle Haar hatte sie zu einem straffen Knoten am Hinterkopf zusammengefasst, ihr Dienstmädchenkleid war gebügelt und sauber, der Knicks war perfekt. Der Londoner Haushalt ihres Vaters war in Amelias Augen viel formeller als der seines Landhauses in Cambridgeshire. »Seid Ihr bereit, dass ich Euch beim Ankleiden helfe?«, fragte das Mädchen.
Wer er auch sein
Weitere Kostenlose Bücher