Eine skandalöse Braut
hatten diesen Zugang zum Haus gewählt, weil er durch den kleinen, abgeschlossenen Garten besonders diskret war und man ihn von der Straße aus nicht einsehen konnte. Das war gut, denn in dieser Nachbarschaft hätte man ihn sicher erkannt.
Alex hatte es gerade geschafft, die Fenstertüren zum Balkon hinter sich zuzuziehen, als die Tür zum Schlafzimmer geöffnet wurde. Er erstarrte und hoffte, dass die Schatten seine Gestalt verschluckten. Er wagte auch nicht, sich zu rühren, weil jede Bewegung die Aufmerksamkeit der jungen Frau erregen könnte, die das Gemach betrat. Wenn sie Alarm schlug, wäre Michael in einer üblen Situation, selbst wenn es Alex gelang, zu entwischen. Sie trug die kleine Lampe und stellte sie auf das lackierte Tischchen neben dem Bett. Er vermutete, dass es schwer wäre, ihn auf dem Balkon zu entdecken, wenn man nicht wusste, dass er da war.
In diesem Moment bemerkte er, wie wunderschön sie war.
Lord Hathaways Tochter. War er ihr schon einmal begegnet? Nein, sicher nicht. Aber wenn er darüber nachdachte, fiel ihm auf, dass er in letzter Zeit recht häufig ihren Namen gehört hatte. Jetzt wusste er auch, warum.
Ihr Haar hatte die satte Farbe von glänzendem Gold, auf dem der Lichtschein tanzte. Sie löste die Nadeln aus der Frisur und legte eine nach der anderen neben die Lampe. Eine Kaskade aus Locken fiel auf ihren Rücken. Er sah ihr Gesicht nur im Profil; sie hatte klare, weibliche Gesichtszüge mit einer niedlichen Nase und einem hübschen Kinn. Obwohl er die Farbe ihrer Augen aus dieser Entfernung nicht erkennen konnte, sah er, dass dichte Wimpern sie umkränzten, die leichte Schatten auf ihre hohen Wangenknochen warfen. Sie beugte sich vor, hob ihre Röcke, streifte die Schuhe ab und begann, ihre Strümpfe zu lösen. Er erhaschte einen Blick auf ihre blass schimmernden, schlanken Fesseln, ihre weichen Oberschenkel und die herrliche Rundung ihres Hinterns.
Es war höchst sinnlich, eine Frau beim Ausziehen zu beobachten. Es war für ihn nichts Neues, dass Frauen sich in seiner Gegenwart für ihn auszogen, zumeist war es das Vorspiel zu seinem liebsten Zeitvertreib. Ihre schlanken Finger lösten die Verschlüsse des Kleids, und die Seide wisperte leise, als der Stoff über blasse Schultern nach unten glitt. Sie trat aus dem Kleid, das sich um ihre Füße bauschte, und trug nun lediglich ein dünnes, hauchzartes Unterhemd. Sie schien nur aus goldenen Haaren und elfenbeinfarbener Haut zu bestehen; im flackernden Licht ging von ihr ein überirdisches Strahlen aus.
Wenn ich ein Gentleman bin, ermahnte er sich, sollte ich jetzt den Blick abwenden.
Der Ball hatte sich für sie eher als Albtraum denn als Vergnügung erwiesen, Lady Amelia Patton hatte sich so oft wie nur möglich mit ihrer üblichen – und nicht besonders abwegigen – Entschuldigung vor dem nächsten Tanz gedrückt. Sie hob ihr Seidenkleid vom Boden auf, schüttelte es leicht aus und drapierte es über einen reich verzierten Stuhl, der neben dem Kamin stand. Während sie in ihrer Kutsche heimgebracht wurde, hatte sie bereits beschlossen, ihre Zofe nicht zu wecken, sondern stattdessen den seltenen Moment absoluter Privatheit zu genießen, ehe sie zu Bett ging. Niemand würde daran Anstoß nehmen, da sie derlei schon häufiger getan hatte.
Es war ein Verbrechen, wenn man seinen Vater töten wollte, nicht wahr?
Natürlich wollte sie ihn nicht wirklich erwürgen, höchstens in metaphorischem Sinne. Aber heute Abend, als er sie geradezu in die Arme des Earl of Westhope gestoßen hatte, hätte sie beinahe das Undenkbare getan und sich fast geweigert, mit Seiner Lordschaft zu tanzen. Damit hätte sie den Mann in aller Öffentlichkeit gedemütigt und ihrem Vater endlich einmal die Stirn geboten.
Aber stattdessen hatte sie die Zähne zusammengebissen und mit dem überaus attraktiven, reichen und unsagbar langweiligen Lord getanzt, der zu den begehrtesten Junggesellen des haut ton gehörte.
Das hatte ihn leider ermutigt. Und das war nun wirklich das Letzte, was sie hatte erreichen wollen.
Der Earl hatte sogar die Frechheit besessen – oder war es pure Dummheit? –, Rabelais falsch zu zitieren, als er ihr ein Glas Champagner brachte. Mit einer überschwänglichen Geste überreichte er ihr die Champagnerflöte und verkündete: »Der Durst kommt mit dem Essen … Aber der Appetit schwindet, sobald man trinkt.«
Es hatte sie viel Selbstbeherrschung gekostet, ihn nicht zu korrigieren, da er so schwer von Begriff war. Zugleich
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