Eine skandaloese Liebesfalle
die Lady Vere in ihm weckte, waren zu dunkel, zu intensiv und zu beunruhigend. Er wollte sie nicht. Er wollte die Erbitterung nicht und nicht die Lust, und auch nicht das gefährliche Sehnen, das sie in ihm weckte. Er wollte einfach nur, dass alles wieder so wurde, wie es gewesen war, ehe ihre Pfade sich kreuzten ... oder besser zusammenstießen. Er wollte Beschaulichkeit, Besänftigung, ein dickes Polster gegen die Realitäten seines Lebens.
Fast wie bei Mrs Douglas und dem Laudanum.
Er schenkte sich zwei Finger hoch Whisky in ein Glas und leerte es in einem einzigen Zug.
Oben sprang sie wieder in die Luft. Zweifellos lachte und weinte sie gleichzeitig, fühlte sich schwerelos vor Glück und Erleichterung - ihr Albtraum war schließlich vorüber.
Seine eigenen Albträume hingegen würden weitergehen.
„Gestatte, dass ich dir einen Eintrag aus meinem Tagebuch vorlese, datiert auf den 12. April 1884“, sagte Angelica. Sie räusperte sich umständlich. „,Am Ufer des Forellenbaches saß ich und las, während Freddie zeichnete. Penny begann eine Unterhaltung mit dem Vikar, der gerade einen Spaziergang unternahm - etwas über die Gnostiker und das Konzil von Nicäa.“
Sie schaute auf. „Meine Güte, erinnerst du dich noch daran, wie gebildet Penny immer war?“
„Ja“, antwortete Freddie.
Aber er erinnerte sich nie ohne Wehmut.
„Wenigstens ist er jetzt glücklich verheiratet. Seine Ehefrau scheint an ihm ja wirklich weder Fehl noch Tadel zu finden. “
„Darüber bin ich wirklich froh. Mir gefällt, wie sie ihn ansieht: An Penny gibt es so viel, das gut und bewundernswert ist.“
Angelica fuhr mit der Fingerspitze über den Rand des ledergebundenen Tagebuchs. „Aber?“, hakte sie nach.
Er lächelte. Sie kannte ihn zu gut. „Ich will gern einräumen, dass ich fast ein bisschen eifersüchtig bin. Ich habe mir immer gesagt, wenn ich einmal als alter Junggeselle ende, dann hätte ich wenigstens Penny als Gesellschaft.“
„Du kannst immer meine Gesellschaft haben“, erklärte sie. „Es wäre wieder wie damals, als wir noch Kinder waren - nur werden wir weniger Zähne haben.“
Plötzlich viel ihm wieder ein Vorfall von früher ein, bei dem es um weniger Zähne gegangen war. „Erinnerst du dich noch daran, wie ich aus Versehen die Lieblingsbrille meines Vaters zerbrochen habe?“
„War das, als ich die Brille meiner Mutter gestohlen habe, um sie zu ersetzen, und wir beide hofften, er würde es nicht merken?“
„Ja, genau. Meine Mutter und Penny waren fort, und ich war außer mir vor Angst. Und du hast vorgeschlagen, dass wir dir die losen Zähne ziehen, damit ich abgelenkt bin und nicht immer nur an die Brille denke.“
„Wirklich?“ Sie lachte leise. „Daran kann ich mich gar nicht mehr entsinnen.“
„Deine neuen Zähne waren schon da, und deine Milchzähne hingen so locker, dass sie hin und her flatterten wie Wäsche im Wind. Alle haben dich bedrängt, die alten Zähne herauszureißen, aber du hast niemanden in deine Nähe gelassen.“
„Meine Güte. Jetzt erinnere ich mich wieder ganz vage. Ich habe damals mit einem Schal über dem Mund geschlafen, damit meine Gouvernante sich nicht daran vergreifen konnte, während ich schlief.“
„Ich war so überrascht, dass du mich dran lassen wolltest, dass ich die Brille vollkommen vergessen habe. Wir haben dir an dem Nachmittag vier Zähne gezogen.“
Sie bog sich vor Lachen.
„Hör zu, es wird noch besser: Mein Vater hat die Brille deiner Mutter fallen lassen und ist aus Versehen daraufgetreten, ehe er sie aufsetzen und merken konnte’, dass es nicht die richtige war. Es muss eines der wenigen Male gewesen sein, dass meine Ungeschicklichkeit niemanden in Schwierigkeiten gebracht hat. Die Erleichterung war überwältigend.“
„Nun, eines steht jedenfalls fest: Ich werde dich ganz bestimmt keinen Zahn bei mir ziehen lassen, wenn ich ein altes Mütterchen bin.“
Er hob seine Kaffeetasse wie zum Salut. „Geht in Ordnung. Wie auch immer, ich bin entzückt, wenn ich im Greisenalter deine Gesellschaft genießen kann.“
Sie erwiderte seinen Salut, und ihre Augen funkelten belustigt. Zum ersten Mal wurde ihm bewusst, wie glücklich er sich schätzen konnte, sie schon sein ganzes Leben lang zu kennen. Manchmal nahm man die besten Sachen im Leben für selbstverständlich. Er hatte nie ganz begriffen, wie sehr er sich auf Penny verlassen hatte, ehe Pennys Reitunfall alles geändert hatte. Und er hatte auch nie die zentrale Rolle
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