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Eine Socke voller Liebe

Eine Socke voller Liebe

Titel: Eine Socke voller Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Beer
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kürzen. Nach einer Weile
verstummte der anfängliche Redeschwall. Schweigend wanderten die Frauen jetzt
nebeneinander her.
    Die Stille hatte etwas Beruhigendes, fast Andächtiges. Einsam
schlängelte sich der Waldweg bergauf. Die knorrigen, dünnen, alten Baumstämme
waren vollkommen mit Moos bewachsen. Sie ragten wie windschiefe Gestalten aus
dem Boden heraus und waren in dichten Nebel gehüllt.
    „Fast ein bisschen gruselig und gespenstisch“, dachte Sabine.
    „Hier könnte man jetzt gut einen Thriller drehen“, sagte sie
laut.
    „Aber ich habe Hunger“, erwiderte Andrea.
    An einem kleinen Abhang breitete sie ihre Regenjacke als
Sitzunterlage aus. Sie setzten sich nebeneinander darauf und kramten ihre
Proviantpakete aus dem Rucksack.
    Sabine biss herzhaft in ein Käsebaguette. „Was ist denn das?“
fragte sie mit vollem Mund.
    „Ein Pilgerbrot!“, erwiderte Andrea kauend, „Mit dem Brot
könnte man jemanden erschlagen, und der Käse quietscht vor Trockenheit zwischen
den Zähnen.“ Sie stand auf und stellte sich vor ihre Freundin auf den Weg.
    „Was soll das jetzt werden?“, wunderte sich Sabine.
    „Wart’s ab!“ Mit strenger Miene und einer drohenden Gebärde
streckte Andrea ihre Arme in die Luft und sprach mit dunkler Stimme, langsam
und eindringlich:
    „Schon die Kreuzritter predigten: Pilgert und tuet Buße!!
    Bei trockenem Brot und Wasser und ganz ohne Muße!
    Der Segen des Herrn ist euch gewiss
    Und euer Heil im Himmel ist.
    Ihr seid nicht hier, um euch zu vergnügen,
    sondern zu büßen und den Ablass zu kriegen.
    Ihr seid freiwillig hierhergekommen,
    und habt meine Worte nun vernommen. Amen!“
    Sabine konnte vor Lachen kaum an sich halten. Sie sah, dass
drei Pilger den Weg heraufkamen, warnte Andrea aber nicht, sondern wartete mit
diebischer Vorfreude darauf, was passieren würde.
    Andrea breitete gerade ihre Arme aus und schlug dabei einem
der Vorbeilaufenden kräftig mit ihrer Hand gegen die Brust.
    „O sorry“, stotterte sie erschrocken, „ich wollte Sie nicht
treffen. Aber ich halte meiner Freundin gerade eine Predigt.“
    Sabine prustete jetzt vor Lachen.
    Der Fremde sah zu ihr hoch und sagte mit einem Grinsen im
Gesicht: „Dann verzeih ich Ihnen den Angriff natürlich. Hat sie es denn so
nötig?“ Er hatte sein Regencape soweit geschlossen, dass nur seine Augen und
Nase aus der Kapuze herausschauten.
    Andrea sah in zwei blaue Augen, um die sich Lachfalten kringelten,
als sie antwortete: „Naja, aber schaden kann’s ja nicht.“
    „Dann wünsch ich euch weiterhin so viel Spaß und einen guten
Weg“, grüßte er und beeilte sich, seine Gefährten wieder einzuholen.
    „Danke, Ihnen auch“, riefen die Freundinnen hinter ihm her.
    „Bemerkenswert schöne Augen“, bemerkte Andrea.
    „Naja, vielleicht treffen wir ihn ja in Roncesvalles wieder.
Dann kannst du ihm ganz tief in die blauen Augen gucken“, meinte Sabine
grinsend.
    „Du alte Stänkernase!“, schubste Andrea sie in die Seite.
    Während sie weiter herumalberten, kauten sie auf dem harten
Brot.
    „Der Hunger treibt‘s rein“, stellte Sabine nach einer Weile
fest, „aber wenn ich ehrlich bin, find ich das alles plötzlich gar nicht mehr
so schlimm. Gestern die Hitze, die Nacht im Zelt, heute den Regen und das alte
Brot mit vertrocknetem Käse. Im Moment bin ich eher belustigt über uns beide
und unsere Pilgerei. Zu Hause hätte ich mich wahrscheinlich maßlos geärgert.
Aber hier ist das alles irgendwie anders.“
    „Ich kann es dir auch nicht erklären, aber ich finde unseren
leicht chaotischen Start in diese Reise einfach nur zum Brüllen komisch. Da
gibt es doch das Märchen ‚Von einem der auszog, das Fürchten zu lernen‘, das
wäre doch auch mal eine Überschrift für diesen Tag.“
    „Wir müssen den Titel nur ändern in ‚Von zweien, die
auszogen, das Pilgern zu lernen‘, dann passt es“, schlug Sabine vor.
    Sie frotzelten noch eine Weile weiter über ihr selbst
auferlegtes Pilgerleben, während der Weg stetig bergan stieg und der Wald
endete. Niedrige Pflanzen und Gräser suchten sich jetzt ihren Weg zwischen den
Steinen. Winzige Wassertropfen lagen auf Blättern und Halmen.
    Die Sichtweite hatte sich auf ungefähr zehn Meter verringert.
Irgendwo in der Ferne blökten Schafe und läuteten Kuhglocken.
    Es war seltsam und fast beängstigend, so orientierungslos zu
sein und der schmalen Straße zu folgen, ohne zu wissen oder zu sehen, wohin der
Weg sie führen würde.
    Plötzlich erkannten sie die

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