Eine Socke voller Liebe
in die Klamotten.“
Draußen machten sich bereits mehrere Pilger, dick in
Regenpelerinen gehüllt, auf den Weg.
Wie war das mit dem „Alles gelassen hinnehmen, so wie es
kommt???“
„Hektik und Regenwetter. Nein! Das will ich nicht!“, meldeten
sich zaghaft zwei kleine, innere Schweinehunde.
Auf den langen Holztischen standen nur noch zwei
Kaffeegedecke. Das mussten ihre beiden sein. Schon wieder waren sie die
Letzten! Ging denn selbst hier nichts ohne Zeitdruck?
Kleinlaut entschuldigten sie sich bei dem Wirt für ihre
Verspätung. Er winkte ab: „Kein Thema!“, und servierte ihnen das französische
Frühstück.
Sie hatten die zweite Tasse Kaffee noch nicht geleert, da
fing die Madame an, die übrigen Tische abzuwaschen und den Raum zu fegen.
Wahrscheinlich wurden schon bald die nächsten Pilger erwartet.
Die Wäsche hing noch auf der Leine unter der überdachten
Terrasse. Sauber, aber sehr feucht. Die Freundinnen legten ihre Sachen über den
Arm und liefen dicht hintereinander her. Ein schmaler Trampelpfad führte sie
über nasses Gras steil bergauf zum Zelt.
„Das ist ganz schön rutschig hier“, stellte Sabine fest und
machte einen großen Schritt über mehrere nicht mehr vorhandene Stufen aus
aufgeweichter Erde. Als sie den zweiten Fuß nachzog, rutschte sie mit dem
ersten wieder bergab. Sie kniete mit einem Bein im Matsch. Andrea stolperte
über Sabines Fuß und krallte ihre Hände in deren Hose, um die Balance zu
halten. Sie wollte sich die ihr entgegen rutschende Freundin vom Leib halten,
was ihr nicht gelang. Sie fiel hin. Und so lagen sie eine Sekunde später halb
neben-, halb übereinander auf der nassen, moderigen Wiese.
„Nein!“ und „Scheiße!“ tönte es über die Pyrenäen und nach
einer Schrecksekunde folgte ein schallendes Gelächter.
„Nee, nee, das glaub ich jetzt aber wirklich nicht!“, entfuhr
es Sabine glucksend. Andrea prustete vor Lachen, während sie aufstand und ihre
mit nassen Grashalmen und Matsch bedeckte Hose betrachtete.
„Humor ist, wenn man trotzdem lacht, würde meine Mutter jetzt
sagen“, grinste sie ihre Freundin an.
„Ja, ohne geht’s auch wirklich nicht mehr“, meinte Sabine und
hielt ein mit Schlamm verziertes Shirt in die Luft.
Sie reinigten ihre Wanderhosen so gut es ging und machten
sich ein zweites Mal vorsichtig auf den Weg ins Zelt.
„So, und jetzt müssen wir sehen, wie wir das alles wieder in
unsere Rucksäcke kriegen“, sagte Sabine wenig hoffnungsvoll, als sie im Zelt
kniete und ihren Schlafsack in die kleine Hülle stopfte. Dann die nassen und
schmutzigen Sachen in eine Plastiktüte. Die trockenen in eine andere.
Hoffentlich blieben die unter der Schutzhülle des Rucksackes auch wirklich
trocken. Die Flip-Flops passten gerade noch rein, aber wohin nur mit dem dicken
Baguette? Und wo war jetzt das Magnesium? Sie wollte doch jeden Morgen eine
Tablette einnehmen, damit sie keinen Wadenkrampf bekamen.
„Ich habe das Gefühl, mein Rucksack ist kleiner geworden“,
meinte Andrea.
Sabine schüttelte den Kopf: „Auf was haben wir uns da bloß
eingelassen? Das müssen wir jetzt jeden Morgen machen. Ganz schön verrückt!
Wenn meine Kinder mich hier sehen könnten, würden sie wahrscheinlich glauben,
sie hätten Halluzinationen.“
Sie stülpten Hüllen über die dicken Rucksäcke und zogen
dünne, wasserdichte Hosen über ihre Wanderhosen. Dann die Regenjacke über
Vliesjacke, Langarmshirt und Top. Das alles machten sie zum ersten Mal in ihrem
Leben.
Alle anderen Pilger, auch die Zeltbewohner, hatten das Refugio
schon verlassen, als Sabine und Andrea sich endlich auf den Weg machten.
Der heftige Regen hatte sich in ein leichtes Nieseln
verwandelt. Die schöne Bergwelt war hinter einem nebligen Dunstschleier
verschwunden.
Die heutige Etappe führte über den Lepoeder-Pass nach
Roncesvalles. Bis zur Passhöhe waren achthundert Höhenmeter zu überwinden.
Napoleons Truppen hatten einst diesen Weg für ihren Einmarsch in Spanien
erschlossen, deswegen hatte er den Namen „Route Napoleon“.
Eine rot-weiße Markierung wies bergauf durch den Wald. Sabine
und Andrea liefen nebeneinander her.
„Hast du schon bemerkt, dass wir im Gleichschritt laufen?“
fragte Sabine.
„Ja, nur meine Wanderstöcke klackern dazwischen. Möchtest du
einen davon haben?“ bot Andrea an.
„Nee, ich laufe lieber ohne Stöcke“, sagte Sabine.
Die Luft war feucht und warm. Zu warm für die dichte
Regenkleidung. Also, wieder ausziehen und Wanderhosen
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