Eine Socke voller Liebe
Weil wir anderswo ständig
abgelenkt sind. Weil wir unseren vollen Terminkalendern und dem vermeintlichen
Glück hinterher jagen. Aber hier ist jeder allein mit sich und dem lieben Gott
unterwegs‘.“
Das Gespräch wurde von einem Summton unterbrochen. Sabines
Handy kündigte eine Nachricht an. Neugierig las sie, was Tanja schrieb: „Hi Ma,
Papa ist heute in Reha. Alles okay. Mir geht‘s gut, hoffe euch auch. LG Tanja.“
„Schönen Gruß von Tanja“, wandte sie sich zu Andrea, „Markus
ist heute in die Rehaklinik gekommen.“
„Das ist ja eine gute Nachricht. Ich hätte nicht gedacht,
dass er dort so schnell einen Platz bekommt.“
„Ich auch nicht. Aber ich bin sehr froh, dass er nicht erst
nach Hause muss, sondern gleich vom Krankenhaus in die Rehaklinik wechseln
kann. Sonst wäre das womöglich schon gleich wieder sein Untergang gewesen.“
„Darüber mache dir jetzt mal keinen Kopf“, Andrea legte einen
Arm um Sabines Schulter, „du kannst das sowieso nicht beeinflussen.“
„Ich weiß“, gähnte Sabine, „das will ich auch gar nicht. Ich
habe nämlich die Schnauze voll von diesem Suffkopp! Und deswegen bin ich hier.
Ich gehe jetzt ins Zelt und kuschel mich in meinen Schlafsack. Ich bin nämlich
hundemüde.“
Es dauerte nur wenige Minuten, bis beide Frauen eingeschlafen
waren.
Sabine hört ein leises, gleichmäßiges Pochen .
Sie sitzt mit ihren Kindern beim Frühstück. Felix klopft
mit seinen Fingern auf den Küchentisch. Das tut er immer, wenn er nervös ist .
„Und was machen wir jetzt mit dem Scheißkerl?“, fragt er
und stößt mit der Fußspitze gegen den Rücken des auf dem Boden liegenden Mannes .
„Hey, lass das. Du weckst ihn noch auf“, sagt Tanja und
zieht ihren Bruder am Ärmel .
„Keine Sorge bei so viel Promille merkt der nix mehr.“
Der unten Liegende stöhnt laut .
Sabine wird unruhig. „Ich rufe einen Krankenwagen“, sagt
sie und steht auf, um ans Telefon zu gehen .
„Das lass mal. Ich transportiere ihn in meinem Auto in die
Klinik“, bestimmt Felix .
Tanja drückt ihre Mutter sanft auf den Stuhl zurück:
„Bleib sitzen. Wir kümmern uns um Papa.“
„Aber…“, bevor Sabine etwas einwenden kann, schwingt Felix
sich den fast leblosen Körper über die Schulter und verlässt mit ihm die Küche .
Sabine denkt gerade stolz: ‚Wie stark er ist‘, als ihr das
blaurote Gesicht ihres Mannes, der die Augen geschlossen hält, entgegenblickt.
Blut sickert aus einer kleinen Wunde an seiner Stirn und verteilt sich in
Windeseile auf dem ganzen Fußboden. Sie will es aufwischen. Da sieht sie in
einer riesigen Blutlache das große Tranchiermesser liegen .
Sie eilt ans Fenster. Tanja öffnet gerade den Kofferraum
des Autos und Felix lässt seinen Vater hinein plumpsen. Sabine hört den
Aufprall .
Felix sieht zu ihr hoch .
„Sonst kotzt er mir noch die Sitze voll!“, erklärt er und
schlägt die Kofferraumklappe mit voller Wucht zu .
Ein lauter Knall hallt durch die Luft .
Erschreckt fuhr Sabine hoch. Langsam entfernte sich das
Grollen. Es dauerte eine Weile, bis sie sich orientiert hatte. Ihr Herz klopfte
bis zum Hals vor Aufregung.
Wo war denn nur die Taschenlampe? Sie hatte sie doch neben
ihre Matte gelegt. Im Dunkeln tastete sie nach der Notbeleuchtung.
Kräftiger Regen prasselte auf das Zeltdach. Ein Blitz
erhellte für Sekunden den dunklen Innenraum und sofort folgte ein lauter
Donnerschlag.
Sabine beleuchtete ihre Schlafstätte. Andrea lag auf der
dicken Matte und schlief friedlich.
„Da geht die halbe Welt unter und du kriegst nichts mit“,
schüttelte sie den Kopf, „beneidenswert“.
Noch einmal blitzte und krachte es aus allen Richtungen.
Vorsichtig krabbelte sie zum Vorzelt und fühlte an den
Rucksäcken. Gott sei Dank, es regnete nicht hinein. Wanderschuhe und Rucksäcke
standen im Trocknen.
Langsam zog das Gewitter ab. Es dauerte lange, bis sie wieder
einschlafen konnte.
04.
Erkenntnisse
Andrea erwachte. Irgendetwas trommelte leicht auf das
Zeltdach. War das etwa Regen? Nein! Oder? Kühl war es auch. Wo war die Sonne?
Müsste sie nicht längst angenehm warm scheinen?
Sie blickte auf ihre Armbanduhr und erschrak. Frühstück gab
es nur bis halb acht, und das war genau die Uhrzeit.
„Aufstehen! Der Kaffee ist fertig!“, sang sie ihrer Freundin
laut ins Ohr.
Sabine murmelte: „Och nee, ich will noch schlafen!“
„Geht aber nicht! Sonst bekommst du keinen Kaffee mehr. Also
komm schon. Kriech aus deinem Schlafsack und hüpf
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