Eine Socke voller Liebe
ziehen.“
„Wow! Und, könntest du dir das vorstellen?“
„Wenn er meine Bedingungen akzeptiert, vielleicht.“ Sie
zuckte mit den Schultern, als wollte sie ihre Unentschlossenheit betonen. „Ab
Januar wird die Dachgeschosswohnung in seinem Haus frei. Dort könnte ich
einziehen. Ich würde also meine Eigenständigkeit behalten und hätte meine
Rückzugsmöglichkeit.“ Ihre Stimme klang nachdenklich, als sie fortfuhr: „Weißt
du, seit Magdalena mit ihrem Freund nach München gezogen ist, fühle ich mich
manchmal ziemlich einsam. Es ist nicht schön, immer in eine leere Wohnung zu
kommen oder allein am Tisch zu sitzen. Und ihm geht es genauso, seit seine Frau
vor fünf Jahren gestorben ist. Wir verstehen uns wunderbar, haben ähnliche
Interessen und können stundenlang miteinander diskutieren. Er ist mir ein
echter Freund und ich bin gerne mit ihm zusammen.“ Und dann, als müsste sie
sich verteidigen, fügte sie hinzu: „Man merkt ihm nicht an, dass er vierzehn
Jahre mehr auf dem Buckel hat als ich.“
„Das stimmt“, pflichtete Sabine ihr bei, „also, dann könnte
es sein, dass du ab Januar in Westhofen wohnst?“
„Vielleicht, ich bin mir aber noch nicht sicher. Karl-Heinz
weiß, dass er mehr für mich empfindet als ich für ihn. Und du weißt, wie sehr
ich meine Unabhängigkeit und meine Wohnung liebe. Außerdem befürchte ich, dass
er vielleicht doch mehr Präsenz von mir erwarten würde, wenn ich erst einmal in
seiner Nähe wäre.“
„Das glaube ich nicht. Dazu kennt er dich doch wohl schon zu
lange und zu gut“, wandte Sabine ein.
„Meine schöne Terrasse und den kleinen Steingarten würde ich
sicher auch vermissen. Obwohl ich dort immerhin einen eigenen, recht großen
Balkon hätte, den ich bepflanzen könnte.
Außerdem hat Karl-Heinz einen riesigen Garten. Grundsätzlich
finde ich die Vorstellung gar nicht schlecht, aber… ach, ich weiß nicht… Ich
werde es nach meiner Rückkehr entscheiden.“
„Tu das“, erwiderte Sabine, um dann den Faden
weiterzuspinnen: „Dann würdest du zum Ende des Jahres umziehen. Stimmt’s? …O
Gott, was wird wohl bis dahin mit Markus und mir sein? Am liebsten würde ich
ihn nie mehr wiedersehen… Und trotzdem schiebe ich den Gedanken an eine
Trennung und allem, was damit zusammenhängt, ganz weit weg. Ich will mich damit
jetzt nicht auseinandersetzen. Ich möchte gern diese Zeit hier einfach nur für
mich haben und genießen.“
„Ich weiß. Und deshalb wollte ich dir von Karlheinz Vorschlag
eigentlich auch erst erzählen, wenn ich mich entschieden habe. Aber jetzt ist
es raus.“
„Es ist doch in Ordnung. Vielleicht kann ich dann ja in deine
alte Wohnung ziehen und Markus kann in Nackenheim bleiben.“ Sabine sprühte auf
einmal vor Begeisterung über ihren spontanen Einfall. „Ja, tatsächlich! Das ist
doch eine grandiose Idee!“ Vergnügt lachte sie ihre Freundin an: „Was sagst du
dazu?“
„Ja, das wäre eine Möglichkeit. Aber… reden wir darüber in
fünf Wochen noch einmal?“
Sabine nickte, während ein frohes, fast erleichtertes Lächeln
über ihr Gesicht zog, so als hätte sie ein Problem bereits gelöst. Andrea
beendete das Thema: „Wir knacken heute die fünfzig Kilometergrenze, weißt du
das? Wir haben also noch siebenhundertfünfzig Kilometer vor uns! In der Zeit
können wir uns das alles noch tausendmal überlegen.“
Als sie eine Weile später auf einem Baumstamm saßen und in
das dick belegte Bocadillo bissen, seufzte Sabine laut: „Jetzt geht es mir
wieder besser! Das Erzählen und Laufen haben meinen Kopf frei gemacht.“
„Heute macht mir das Wandern richtig viel Spaß. Irgendwie
passt alles. Die Gegend ist herrlich, das Wetter genial und unser Pausenbrot
lecker. Wir sind vogelfrei und ganz allein. Was wollen wir mehr!“
„Ich kann gar nicht glauben, dass so viele Pilger unterwegs
sind. Bis jetzt sind doch höchstens drei oder vier an uns vorbeigelaufen.“
„Warte mal ab, heute Abend in der Herberge gibt’s bestimmt
wieder Gedrängel.“
„Wir werden schon ein Bett finden. Wenn wir so weiter laufen,
müssten wir schon zwischen zwei und drei in Zubiri sein. Das ist ja wohl früh
genug.“
Am frühen Nachmittag erreichten sie die Brücke, die in die
Stadt hinein führte. Der klare Bach darunter plätscherte verführerisch munter
über dicke Kieselsteine. Die Freundinnen lachten sich an und kraxelten
einvernehmlich die Böschung hinunter. Sie zogen Schuhe und Strümpfe aus und
kühlten ihre müden, heiß
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