Eine Socke voller Liebe
Asphaltstraßen. Die
Vorstadtstraßen von Pamplona wollten scheinbar kein Ende nehmen.
Die Schweißperlen sammelten sich unter ihren Sonnenhüten.
„Was gab‘ ich jetzt für eine kalte Dusche!“, stöhnte Andrea.
„Ja, bei der Hitze kann man es eigentlich nur im Wald
aushalten“, pflichtete Sabine ihr bei.
„Ja, da war es heute Morgen so schön einsam und schattig.
Aber plötzlich, schwupps, sind wir wieder mitten drin in dieser Hitze und in
der Zivilisation.“
Als sie endlich Pamplona erreicht hatten, steuerten sie
direkt auf eine behaglich anmutende Herberge zu.
„Wir sind leider total besetzt“, bedauerte die Hospitalera,
die sich gerade vor dem Haus auf eine Bank gesetzt hatte.
„Gibt es nicht noch ein Notquartier?“, bettelte Andrea, „wir
würden so gerne hier bei Ihnen übernachten.“
„Da müsste ich mal überlegen.“ Sie lächelte die Freundinnen
an und kratzte sich kurz an der Stirn, während sie anscheinend angestrengt
nachdachte: „Ich hab’s! Ihr könntet im Büro auf der Erde schlafen. Ich lege
euch dicke Matten hin, dann hättet ihr sogar ein Zweibettzimmer. Allerdings
muss ich euch um halb sechs wecken, weil wir ab sechs Uhr dort das Frühstück
servieren. Wenn euch das nichts ausmacht, dürft ihr hier bleiben. Für echte
Pilgerinnen finden wir doch immer noch ein Eckchen.“
Andrea sah Sabine mit einem breiten Grinsen an und fragte:
„Ich denke ja, oder?“
„Okay, wir bleiben“, entschied auch Sabine.
„Sagen Sie mal, wieso bezeichnen sie uns als ‚echte‘
Pilgerinnen?“, fragte Andrea verwundert.
„Ich sehe das an euren Augen. Touristen sehen anders aus“,
antwortete die resolute Frau mit Bestimmtheit.
Die Freundinnen grinsten sich an. „Ach ja?“
Zwei Stunden später verließen sie die Herberge zu einem
Bummel durch die historische Altstadt von Pamplona.
„Mir sträuben sich die Nackenhaare bei der Vorstellung, dass
durch diese engen Gassen einmal im Jahr die Stiere getrieben werden“, sagte
Sabine.
„Ja, das ist schon ein einzigartiger und lebensgefährlicher
Brauch. Aber diese Festwoche war zum Glück bereits im Juli und nicht jetzt.“
Andrea wies mit ihrer Hand an eine Hausfront: „Sieh dir das
mal an. Stromkabel wie Wäscheleinen!“
Tatsächlich hingen einige Kabel an Hauswänden herunter und
andere waren quer über die Gasse gespannt.
Nachdem sie sich ausgiebig über diese spanischen Sitten und
Gebräuche ausgetauscht hatten, statteten sie der wuchtigen Catedral de Santa
Maria einen Besuch ab. Sie besichtigten das goldene Portal und die lichten,
schönen Kreuzgänge, bevor sie weiter unter den Arkaden des Plaza del Castillo
spazieren gingen. Hier saßen die Menschen in den zahlreichen Cafés und
Restaurants bei Pintxos (andernorts Tapas) und Rotwein, um die Abendsonne und
den Feierabend zu genießen. Kinder sprangen umher und junge Pärchen schoben
Kinderwagen über den großen Platz.
Andrea drehte sich um. Hatte da jemand ihren Namen gerufen? Michael,
Hubert und Sebastian saßen unter einem großen Sonnenschirm beisammen und
winkten den Frauen zu.
„Na, das ist aber eine schöne Überraschung!“, strahlte
Michael die Freundinnen an.
„Wir haben nicht erwartet, euch noch hier in Pamplona zu
treffen“, sagte Andrea, „sondern euch schon ein paar Kilometer weiter
vermutet.“
„Wir wollten uns diese schöne Stadt in Ruhe ansehen“,
erwiderte Michael, „möchtet ihr euch zu uns setzen?“
„Ja gerne!“
„Auf dem Camino trifft man sich immer mehrmals“, meinte
Hubert. „Als ich vor zehn Jahren gemeinsam mit meiner Frau von Burgos nach
Santiago gepilgert bin, ist es uns auch so ergangen.“
„Wollte deine Frau jetzt nicht wieder mitgehen?“ fragte
Sabine erstaunt.
„Nein, sie hat Rückenprobleme und traut sich die lange
Wanderung mit dem Rucksack nicht mehr zu. Außerdem hat sie erst vor ein paar
Monaten gemeinsam mit Sebastians Frau ein kleines Geschäft eröffnet.“
Sebastian ergänzte: „…Ja, und die beiden sagen, dass dieser
Stoff- und Wollladen jetzt ihr Jakobsweg sei.“
„Vielleicht gar nicht schlecht, dieser Vergleich“, überlegte
Sabine, „die einen bewegen die Füße und die anderen die Hände, um den Kopf frei
zu bekommen.“
Die Kellnerin kam, und sie bestellten das angebotene
Pilgermenü: sopa de verdura, filete con patatas fritas und helado o fruta.
Während sie das köstliche Essen und den Vino tinto genossen,
fragte Sabine die Männer lachend, ob jemand bei ihr und Andrea schon den
typischen
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