Eine Socke voller Liebe
aus, um
ihre Schätze darauf zu legen: Knuspriges Baguette, kräftigen Käse, fruchtige
Tomaten und saftige Pfirsiche. Das frische kalte Wasser holten sie sich direkt
aus dem Brunnen, der neben der Bank stand.
Andrea räkelte sich und seufzte genüsslich: „Ist es nicht
herrlich unkompliziert und einfach, dieses Leben hier auf der Wanderschaft?“
„Ja, und ich vermisse nichts“, stimmte Sabine ihr zu.
Nach der Pause ging es weiter durch Weinberge und
Getreidefelder. Immer wieder blieben sie stehen, um die reizvollen Ausblicke in
die schöne Hügellandschaft zu fotografieren oder Weintrauben zu naschen.
Plötzlich kam aus einem kleinen Seitenweg ein
schwarzgelockter Mann auf sie zu und streckte ihnen seine Hände entgegen, um
ihnen Feigen zu schenken. „Buen camino“, sagte er und verschwand wieder.
„Was war denn das?“ wunderte sich Sabine.
„Das war bestimmt ein Engel“, lachte Andrea und schaute sich
um, „denn er ist genauso schnell wieder verschwunden, wie er aufgetaucht ist.“
„Jetzt sagst du bestimmt auch noch, dass er auf uns
aufpasst“, vermutete Sabine.
„Genau! Wäre doch nicht schlecht, in dieser einsamen Gegend.“
Es war heiß geworden und die Rucksäcke drückten auf die
Schultern. Nach fast sechsstündiger Wanderung und zweiundzwanzig Kilometern
beschlossen die Freundinnen, sich in einer Herberge einzuquartieren.
Hier herrschte Trubel. Eine Gruppe Radsportler war
eingetroffen und viele der Jugendlichen belagerten die drei Computer, die zur
Verfügung standen.
Einen Moment überlegten die Frauen, ob sie Mails an ihre Kinder
verschicken sollten. Aber nach einigem Hin und Her entschieden sie sich doch
wieder für eine kurze SMS als Lebenszeichen. Sie hatten keine Lust, ihre Zeit
wartend vor den Geräten zu verplempern.
Nach dem sich täglich wiederholenden Procedere, das aus
Duschen und Handwäsche, einem kurzen, erholsamen Schlummer, einem Bummel durch
den Ort und einem leckeren Pilgermenü bestand, sanken sie dankbar und müde auf
ihren Betten in einen tiefen Schlaf.
Sabine steht vor einer rotweißen Absperrung an der Straße
und sieht angestrengt in die Ferne. Bunt kostümierte Kinder laufen an ihr
vorbei .
„Sie kommen!“, ruft sie aufgeregt. Neben ihr steht der
zehnjährige Felix. Er ist als Cowboy verkleidet und lässt den Colt, der an
seinem Gürtel hängt, keinen Moment aus der Hand. Markus steht hinter ihr und
hat seine Hände auf ihre Schultern gelegt .
Auf der Straße vor ihnen läuft eine Gruppe größerer
Schüler, die als Vampire verkleidet sind .
Alle rufen laut: „Helau!“ und winken mit den Armen .
Jungen in weißen Anzügen mit roten Bordüren reiten auf
schwarzen Steckenpferden .
Dann kommen die Schneeflöckchen. Sabine sucht angestrengt
nach ihrer Tochter. Die Mädchen tragen weiße Kleider mit langen Ärmeln und weit
ausladenden Röcken, die über und über mit kleinen Wattebäuschchen bedeckt sind.
Ihre hübschen Gesichter sind weiß geschminkt und von lockigen Perücken
eingerahmt .
„Siehst du Tanja?“, fragt sie Markus .
Im gleichen Moment stürmt ein kleines Mädchen auf sie zu,
drückt ihr einen Kuss auf den Mund und verschwindet ganz schnell wieder in der
Gruppe .
Sie bemerkt, dass Felix neben ihr unruhig wird. Als sie zu
ihm hinschaut, richtet er den Colt gegen seinen Vater: „Hände hoch oder ich
schieße!“, schreit er laut. Entsetzt sieht sie ihren Sohn an. Im gleichen
Moment spürt sie Markus Arm um ihre Taille und schwebt mit ihm in die Luft. Ein
herrliches Gefühl von Freiheit breitet sich in ihr aus .
Sie blickt zu ihm auf und sieht in sein Gesicht. Etwas
erstaunt stellt sie fest: Er ist ein Vampir! Sie ist überrascht, dass sie das
nicht schon früher gemerkt hat, aber es beunruhigt sie nicht. Sie fühlt sich
sicher und wohl in seinen Armen .
Aus lichter Höhe bewundern sie gemeinsam den
Jugendmaskenzug, der durch die Mainzer Innenstadt zieht. Ihr Glücksgefühl ist
unbeschreiblich .
Langsam schweben sie weiter. Fasziniert betrachtet sie die
Türme des Mainzer Doms aus der Nähe und die Menschen, die am Rheinufer entlang
bummeln .
Sie gelangen zum Schloss und landen in einem prächtigen
Prunksaal. Riesige Kronleuchter hängen von der Decke, deren herrliche
Stuckarbeiten vergoldet sind. Im flackernden Licht der Kerzen erkennt sie die
wundervollen Intarsien auf dem dunklen Holzfußboden. Livrierte Diener eilen
umher .
Sie blickt an die Wände und versucht, die Gesichter der
gemalten Portraits, die aus dicken Goldrahmen
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