Eine Socke voller Liebe
Cafés ihre Pforten.
Zwei große Tassen Milchkaffee und ein dick belegtes Bocadillo
waren ihre Rettung und eine gute Grundlage, um eine Stunde später am
Weinbrunnen in Irache ein Gläschen Rotwein zu genießen.
Dieser Brunnen, der Wein und Wasser für die Pilger spendete,
war inmitten eines prunkvollen Wappens an der Hauswand angebracht und gehörte
zum dortigen Kloster.
Die Freundinnen setzten sich auf eine Bank und schlürften
genüsslich den köstlichen Vino tinto.
„Ein Glück, dass wir so gut gegessen haben, sonst würde mir
der Wein sofort in den Kopf steigen“, meinte Sabine lachend.
„Das glaube ich nicht“, entgegnete Andrea, „bei der
körperlichen Anstrengung, die wir heute noch vor uns haben, brauchen wir das
als entkrampfende Medizin.“
„Na gut, dann ‚auf unser Wohl‘ und weiter!“, prosteten sie
sich zu.
Das anschließende Wäldchen war schnell durchwandert und die
gelben Pfeile führten sie weiter durch Wein- und Getreidelandschaften.
Schattige Baumgruppen wurden immer seltener.
In der Mittagszeit gelangten sie nach einem kurzen Aufstieg
nach Villamayor de Monjardin, einem kleinen Ort, über dem die Ruine einer alten
Wehrburg thronte.
Eine unvorhergesehene, wunderbare Überraschung wartete hier
auf sie. Ein winziges Freibad, in dem man mit fünf Zügen das Becken durchqueren
konnte. Aber für ein erfrischendes Untertauchen im kalten Nass reichte das völlig
aus. Diese kurze Abkühlung machte Mut für das vor ihnen liegende Stück zwölf
Kilometer langer, schattenloser Einsamkeit.
Die Frauen füllten ihre Flaschen noch einmal mit kaltem
Wasser und machten sich mutig auf den Weg.
Der Himmel war wolkenlos und von einer tiefblauen Farbe. Die
Sonne konnte ungehindert ihre heißen Strahlen auf den Camino und die beiden
einsamen Pilgerinnen schicken. Büsche und Bäume leuchteten ihnen in sattgrünen
Farben leider nur von weit entfernten Hügeln entgegen.
„Da vorne ist ein Baum in einem Seitenweg“, seufzte Sabine
nach einer Stunde anstrengenden Wanderns.
„Nichts wie hin!“, meinte Andrea.
Sie standen an der Weggabelung und sahen etwa zehn Pilger
oder mehr, die sich auf einem kleinen, schattigen Fleckchen dicht aneinander drängelten.
„Es wird hier ja wohl noch einmal einen Baum oder Strauch
geben, was meinst du? Gehen wir weiter?“, fragte Sabine.
„Da bleibt uns wohl nichts anderes übrig.“
Einsilbig trotteten sie nebeneinander her zwischen gelben
Getreide- und Stoppelfeldern, die in der Sonne leuchteten und trostlos brach
liegendem Ackerland, dem rote Mohnblumen wie zur Aufheiterung hier und da einen
hübschen Farbtupfer verliehen.
„Eigentlich ein schöner Anblick, aber ein Baum wäre mir
lieber“, stöhnte Sabine.
„Hätten wir uns doch bloß einen Moment zu den anderen Pilgern
in den Schatten gedrängelt“, bedauerte Andrea.
Die Sonne brannte unbarmherzig, der Schweiß rann in Strömen,
die Rucksäcke wurden immer schwerer, der Schotterweg schien endlos.
„Ich bin ja schon froh, dass es hier nicht auch noch bergauf
geht“, äußerte sich Sabine.
Andrea summte die Filmmelodie „Spiel mir das Lied vom Tod“.
Sabine malte sich aus, wie es wäre, wenn einer von ihnen
jetzt zusammenklappen würde. Und sie lachten albern bei der Vorstellung. Man
konnte das auch „Galgenhumor“ nennen.
Wo waren überhaupt die anderen Pilger? Die, die ihnen den
Baum streitig gemacht hatten? Und all die anderen, die sich abends in den
Herbergen tummelten? Kein Mensch war weit und breit zu sehen. Vielleicht waren
die alle schon in Los Arcos? Schließlich liefen die meisten ja morgens viel
früher los und viele machten nur wenige Pausen.
„Ich sehe einen Strauch!“, langsam und genüsslich formulierte
Sabine diesen Satz und ihre Beine bewegten sich schneller.
Der Strauch war ein Dornbusch!!
„Das glaub ich jetzt nicht!“, klagte Andrea.
Es gab nur einen schmalen, schattigen Streifen hinter dem
Strauch. Aus der Erde wuchsen massenweise kleine Ableger. Winzige
Dornbüschchen.
„Ei, wie niedlich! - Aua!“
Andrea schleppte einen dicken Stein vom Feldrand und Sabine
machte es ihr nach. So saßen sie dicht nebeneinander und teilen sich das
kleine, schattige Fleckchen.
Das Wasser in den Trinkflaschen war lauwarm.
„Lecker!“, grinste Sabine, nachdem sie einen großen Schluck
genommen hatte, „aber wenigstens haben wir noch genug davon.“
„Mir tut der Hintern weh“, stellte Andrea lakonisch fest und
stand auf.
„Ja, bequem ist das Sitzen hier nicht. Komm,
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