Eine Socke voller Liebe
luxuriös ausklingen zu lassen.
Und da sich die vier Peregrinos so gut miteinander
unterhielten, liefen sie auch gemeinsam aus der Stadt hinaus und über
Schotterstraßen durch die weite und recht ebene Landschaft. Immer wieder
verschwand Klaus in den Weinbergen, um die Frauen mit dunklen, reifen Trauben
zu verwöhnen.
Vera erzählte ganz unbefangen davon, wie wichtig diese
Auszeit für sie und Klaus gewesen sei. Sie freue sich wieder auf Zuhause und
auf einen Neuanfang in ihrer Beziehung.
„Wir hatten eine schlimme Zeit hinter uns“, berichtete sie,
„haben kaum noch miteinander geredet und uns gegenseitig misstraut. Irgendwie
hatten wir uns in den letzten Jahren wohl schleichend und ganz langsam
auseinander gelebt. Die Kluft zwischen uns wurde immer größer. Jeder hat sich
nur noch in seine Arbeit gestürzt, um sich nur ja nicht mit dem anderen
auseinandersetzen zu müssen und die Probleme unter den Tisch kehren zu können.
Klaus kam manchmal Nächte lang nicht nach Hause, und ich habe ihm Vorwürfe
gemacht. Unsere Kinder haben uns dann gesagt, dass es Zuhause ja nicht mehr zum
Aushalten wäre. Wenn wir uns nicht mehr verstehen würden, dann sollten wir auch
den Mut haben, uns zu trennen. Die Offenheit unserer Kinder hat uns leicht
geschockt. Aber wir haben eine Weile gebraucht, um uns einzugestehen, dass wir
beide in unserer Beziehung nicht mehr glücklich waren. Klaus hatte dann die
Idee mit dem Jakobsweg. Wir sind mit Bauchschmerzen von Zuhause gestartet und
jeder hatte Angst, dass der Partner ihm gestehen würde, er habe sich verliebt
oder wolle aus sonstigen Gründen nicht mehr mit dem anderen zusammen sein. Wir
sind in der ersten Woche häufig getrennt gelaufen; aber wir haben uns und
unsere Liebe wiedergefunden, und das ist mehr, als wir erwartet haben.“ Vera strahlte
vor Glück, als sie ihren kurzen Bericht beendet hatte.
„Das freut mich für euch“, sagte Andrea, die neben Vera
herlief. Sabine ging hinter den beiden her und hörte nachdenklich zu. Wie ein
Quell hatte Vera ihre Geschichte herausgesprudelt und ihre Freude und
Erleichterung kundgetan. Sabine beneidete sie darum.
Nach zwei Stunden verabschiedeten sich die Freundinnen mit
vielen lieben Wünschen und einem herzlichen „buen camino“ von dem glücklichen
Pärchen, um eine Pause zu machen.
Sie setzten sich auf eine Bank und genossen den schönen Blick
auf das im Tal liegende Torres del Rio.
„Ich konnte ihr zum Schluss nicht mehr zuhören“, sagte
Sabine, und Andrea bemerkte die Tränen in ihren Augen.
„Hast du an eure Ehe denken müssen?“, fragte sie
anteilnehmend.
„Ach ja, wahrscheinlich hätten wir auch mehr miteinander
reden müssen“, antwortete Sabine nachdenklich, „und zwar von Anfang an. Als die
Kinder klein waren, haben sie Markus sofort überfallen, wenn er abends heim
kam, und er hat mit ihnen gespielt, auch wenn er keine Lust dazu hatte. Wenn
die Kleinen dann endlich im Bett waren, wollte er seine Ruhe haben und nicht
mehr diskutieren. Probleme, die ihn nicht direkt betrafen, nahm er zur
Kenntnis, und das war’s. Damit wollte er nicht konfrontiert werden. ‚Davon habe
ich in der Firma schon genug‘, hat er immer gesagt und, ‚du wirst schon eine
Lösung finden. Und sonst besprichst du das mal mit Andrea‘. Ich glaube, er war
manchmal neidisch auf unsere Freundschaft oder vielleicht sogar eifersüchtig.
Aber ich habe das damals nicht so empfunden. Ich war zwar über seine Reaktionen
oft enttäuscht, aber hab es mir nicht anmerken lassen, sondern das einfach
geschluckt, weil ich keinen Ärger wollte. So war er eben. Später, als er in
Eisenach war und nur noch an den Wochenenden nach Hause kam, haben wir zwar
täglich miteinander telefoniert, aber auch keine Probleme diskutiert.
Irgendwann hatte ich das Gefühl, dass wir in zwei verschiedenen Welten leben.
Er lebte für seinen Beruf und ich für die Kinder. Und die Wochenenden waren zu
kurz und zu wertvoll, um sie mit Problemen zu behaften. Wir haben uns so
aufeinander gefreut, dass alles andere unter den Teppich gekehrt wurde. Wir
waren dann für zwei Tage eine heile Familie.“
„Und später warst du – genauso wie ich - eine alleinerziehende,
berufstätige Mutter, die alle Erziehungs- und Organisationsprobleme allein
bewältigt hat“, ergänzte Andrea ihre Freundin. „Ich war nicht glücklich mit
dieser Situation und Markus wahrscheinlich auch nicht. Aber keiner von uns hat
es dem anderen deutlich genug gesagt, zumal sich der Einsatz in
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