Eine Socke voller Liebe
albern kichernd Arm in Arm durch Logroño, um die gelben Pfeile zu suchen,
die sie aus der Stadt hinausführten.
Ihre Müdigkeit war verflogen, und die Beine gewöhnten sich
wieder ans Laufen.
Hinter der Stadt ging es über einen Schotterweg leicht
bergauf mit Sicht auf die parallel verlaufende Fernstraße. Der Maschendrahtzaun
zwischen Pilgerweg und Straße war von Peregrinos über einige Kilometer mit
Kreuzen aus Zweigen, Gräsern und Blumen geschmückt worden.
In dem alten Städtchen Navarrete breiteten sie auf einer Bank
unter alten Platanen ein frisches Baguette, eine Dose Thunfisch, Tomaten,
frische Paprika, Äpfel und eine große Flasche Cola zu einem Picknick aus.
Bevor Sabine zulangte, nahm sie ihr Handy aus der Tasche und
wählte eine Nummer.
„Wen rufst du denn an?“, fragte Andrea erstaunt.
„Ich will wissen, ob Tanja oder Felix schon bei Markus
waren“, gab Sabine Auskunft.
„Was soll das? Du wolltest doch abschalten und deine Lieben
sich selbst überlassen.“
„Ich will einfach nur wissen, ob alles okay ist. Vielleicht
träume ich dann ja nicht mehr. Das Loslassen funktioniert bei mir eben nicht so
schnell, wie ich dachte.“
Tanja meldete sich am anderen Ende der Leitung.
„Warst du schon bei Papa?“, hörte Andrea ihre Freundin
fragen. ….
„Ach so. Frühestens in zwei Wochen? Na gut, dann kann man
nichts machen.“ ….
„Ja, aber melde dich dann bitte gleich bei mir.“ ….
„Okay. Danke. Tschüss! Grüß Felix und Eva.“ ….
„Ja, mache ich.“
Andrea schüttelte verständnislos den Kopf, sagte aber nichts.
Sabine verstaute das Handy und richtete Andrea die Grüße von
Tanja aus.
Nachdem sie sich gestärkt hatten, verließen sie die kleine
Altstadt mit den schönen alten Häusern und Bogengängen und liefen den Camino
weiter, der sie jetzt durch die Weinfelder der Rioja führte. Der Himmel war
bedeckt und die Sonne nicht so heiß wie in den vergangenen Tagen. Eine Wohltat
für die Wanderinnen.
Als sie in einem kleinen Weinort an der gemütlichen Herberge
einer deutschen Jakobusgesellschaft vorbei kamen, beschlossen sie, ihren Weg
für heute zu beenden.
Der freundliche Hospitalero trug ihre Rucksäcke hoch in die
Schlafräume. Seine Frau drückte jedem ein Glas Saftschorle in die Hand und
zeigte ihnen den Innenhof, in dem bunte Kübelpflanzen um die Wette blühten. Auf
der kleinen Rasenfläche luden bunte Liegestühle zum Ausruhen ein. Wäschestücke
flatterten auf der Leine.
Das ganze Anwesen strahlte Sauberkeit und Geborgenheit aus.
Als die Freundinnen ihre Begeisterung zum Ausdruck brachten, erklärte ihnen die
Frau, dass es die Kraftfelder seien, die diesem Camino sein besonderes Charisma
geben würden. An manchen Orten seien sie besonders stark zu spüren. Sie sei
sich sicher, dass dieses Haus auch auf einem solchen Kraftfeld gebaut worden
sei.
Andrea und Sabine waren froh und dankbar hier zu sein und
sich ausruhen zu können. Zwanzig Kilometer waren für heute genug!
Nach einer leckeren Paella und dem obligatorischen Glas Vino
tinto am Abend hatte auch Sabine eine gute und traumlose Nacht in dem kleinen
Schlafsaal mit nur sechs Betten.
12.
Wohnstätten
„Steckt den Reiseführer weg, achtet auf die gelben Pfeile und
geht nach eurem Herzen“, empfahl die Herbergsmutter beim Abschied.
„Also gut“, erwiderte Andrea, „dann laufen wir mal einfach
los.“
Bereits an der nächsten Kreuzung mit drei Abzweigungen war
kein gelber Pfeil mehr zu sehen.
„Also gehen wir jetzt nur nach unserem Gefühl?“, fragte
Sabine.
„Okay, da steht die Sonne, nehmen wir also den Weg in
Richtung Südwesten, das kann nicht falsch sein“, schlug Andrea vor.
Der Feldweg durch die Weinberge war uneben und die
vertrockneten Grasbüschel hoch gewachsen. Die Trauben am Feldrand schmeckten
süß und saftig.
Erst nach zwei Stunden kreuzten andere Pilger ihren Weg.
„Na siehst du“, meinte Andrea fröhlich, „so geht’s auch!“
„Man sieht halt nur mit dem Herzen gut, sagte ‚Der kleine
Prinz‘!“, erwiderte Sabine gut gelaunt.
Der heutige Pilgertag war gespickt mit vielen Erkenntnissen
und Erlebnissen:
Sabine sah die erste Kapelle eines Klarissenklosters in ihrem
Leben. Das Absperrgitter in der Kirche irritierte sie. Andrea erklärte ihr,
dass die Nonnen dieses Ordens ihr Leben betend hinter Gittern und abgeschnitten
von der Außenwelt verbrachten. Eine nicht nachvollziehbare Vorstellung für die
Freundinnen.
In einer Tapasbar hing ein großer Kalender an der
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