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Eine Socke voller Liebe

Eine Socke voller Liebe

Titel: Eine Socke voller Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Beer
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Wand.
Erstaunt stellten sie fest, dass sie seit zehn Tagen unterwegs wagen. Heute war
Samstag, der zweiundzwanzigste August. Für sie hatte das Datum seine
Wichtigkeit verloren.
    Auf einem Sandweg durch die Weinberge der Rioja wurden sie von
fünf Reitern in einem rücksichtslosen Galopp überholt. Der rote Staub wirbelte
in großen Wolken hinter ihnen her und bedeckte auch die beiden Wanderinnen.
Sogar zwischen den Zähnen knirschte es.
    „So eine Unverschämtheit!“, entrüstete sich Andrea und
wischte mit ihren Fingern über das Gesicht. Auf der schweißnassen Haut klebte
der rote Staub.
    Erst eine Stunde später gelangten sie an einen Brunnen. Sie
zogen ihre Shirts aus, schaufelten das Wasser mit den Händen und säuberten
sich. Schmutzige Bäche flossen von den Armen.
    In einem anderen Ort zog eine Menschenmenge singend durch die
Straßen, begleitet von einer Gruppe weiß-rot gekleideter junger Leute, die
immer wieder stehen blieben und zur Blasmusik eine Art Reigen tanzten. Sie
erfuhren, dass der Grund für diese Prozession der Umzug einer Madonnenstatue
vom Bildstock in die Kirche war. Andrea und Sabine tänzelten ebenfalls zur
Musik. Natürlich nur, soweit es ihnen die Last auf ihren Rücken und die müden
Beine erlaubten. Aber es machte einfach Spaß! Einige Spanier ermunterten sie
und klatschten Beifall, während die beiden Frauen die Prozession lachend
überholten.
    „So viel Spaß und Lebensfreude bei einer Prozession könnte
ich mir in Deutschland nicht vorstellen“, stellte Sabine fest.
    Hinter dem Ort begann eine wüstensandfarbige Stoppelfeldlandschaft,
und die Sonne hatte einmal mehr wieder freie Bahn. Irgendwann stach ihnen aus
diesem gelbroten Einerlei ein sattgrüner Rasen in die Augen. Er gehörte zu
einem Golfplatz, auf dem zwei einsame Golfer ihre Runden drehten. Vor dem sich
anschließenden Hotel stand ein Reisebus, dem gerade eine Gruppe Senioren
entstieg. Vielleicht zum Kaffeeklatsch?
    Gelbe Pfeile gab es hier nicht. Okay, also liefen sie wieder
ohne die markanten Wegweiser weiter.
    Hinter dem Golfhotel erstreckte sich ein riesiges Neubaugebiet.
Jedoch waren die zum Teil aufwändig gestalteten, modernen Appartementblocks,
großzügigen Villen und Reihenhäuser allesamt nicht bewohnt. Zwischen den
Pflastersteinen wuchsen Wildkräuter, die Vorgärten waren zu gewuchert und die
Häuser verwahrlost.
    Sie entdeckten nur wenige Häuser, die lebendig schienen. Nur
vereinzelt hingen Gardinen an den Fenstern, waren Hecken geschnitten und Blumen
gepflanzt.
    Was war passiert? Waren hier Spekulanten am Werk? Eine Folge
der Bankenkrise? Alles nur Vermutungen!
    Die moderne Geisterstadt ging in einen alten Stadtteil über,
der fast den Charakter eines Armenviertels hatte. An den kleinen, uralten
Häusern bröckelten der Putz von den Fassaden und die Farbe von den
Fensterrahmen. Auch hier wucherte das Unkraut ungehindert vor den verfallenen
Gebäuden und auf den holperigen Straßen. Ein abgemagerter Hund streunte durch
die Gassen und wühlte in den Müllbergen.
    Ein alter Mann in zerlumpter Kleidung wünschte den Frauen
einen „buen camino“ und zeigte ihnen dabei freundlich lachend seinen zahnlosen
Mund.
    Als sie diese makaber anmutenden Ortsteile fast hinter sich
gelassen hatten, strahlte ihnen ein dicker gelber Pfeil von einer Seitenstraße
aus entgegen. Ein Schild wies auf eine nahe Pilgerherberge hin. Aber nein, hier
wollten sie nicht bleiben, auch wenn die gelaufenen Kilometer eigentlich für
heute gereicht hätten.
    Als sie nach einer weiteren Stunde endlich Santo Domingo de la
Calzada erreichten, waren sie zweiunddreißig Kilometer gelaufen und froh, noch
zwei Notbetten in einem Kloster zu bekommen.
    Sie stiegen die alte Holztreppe hinauf in das Quartier unter
dem Dach. In einem kleinen Raum standen ungefähr zwanzig Pritschen so dicht
nebeneinander, dass man nur seitwärts laufen konnte. Der Rucksack ließ sich mit
etwas gutem Willen gerade noch so dazwischen quetschen.
    Sie übersahen die Schimmelpilze an den Wänden des
Badezimmers, indem sie sich mit geschlossenen Augen unter die Dusche stellten,
und das warme Wasser über den müden Rücken laufen ließen.
    Nichts war wichtiger als das Wasser, um den Staub abzuwaschen
und eine Matratze, um die müden Glieder auszustrecken und in einen kurzen
Erholungsschlaf zu fallen.
    In der Kirche ist es dunkel. Sabine strengt sich an, um
etwas zu erkennen. Sie hört ein Geräusch und dreht sich um. Hinter den
hölzernen Gitterstäben erkennt sie

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