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Eine Spur von Verrat

Eine Spur von Verrat

Titel: Eine Spur von Verrat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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Oberlippe behalten, egal welchen Schicksalsschlägen wir uns ausgesetzt sehen, und überhaupt allzeit ein leuchtendes Beispiel für die unteren Klassen abgeben – die exakt aus diesem Grund auf uns angewiesen sind.« Sie thronte seitlich auf den Polstern, was bei jedem anderen ziemlich unmöglich ausgesehen hätte, bei ihr jedoch eine gewisse Anmut besaß, weil es aus ganzem Herzen geschah. Es kümmerte sie offensichtlich nicht sehr, was andere von ihr dachten. Trotz dieser gesammelten Sorglosigkeit ging dennoch eine schlecht verborgene Anspannung von ihr aus, und Hester konnte sich die frenetische Gemütsverfassung, von der Edith gesprochen hatte, lebhaft vorstellen.
    Mit plötzlich wieder düsterer Miene sah Damaris Hester an.
    »Edith hat Ihnen von unserer Familientragödie erzählt, nehme ich an? Daß Thaddeus tot ist und man inzwischen behauptet, es sei Mord gewesen?« Die Falte zwischen ihren Brauen vertiefte sich. »Wenn ich auch beim besten Willen keinen Grund weiß, weshalb jemand Thaddeus umbringen sollte.« Sie wandte sich zu Edith um. »Du etwa? Gut, er war zwar manchmal ein fürchterlicher Langweiler, aber das sind schließlich die meisten Männer. Sie finden immer die falschen Dinge schrecklich interessant. Oh, tut mir leid, ich meine wirklich nur die meisten, nicht alle!« Sie merkte plötzlich, daß sie Hester möglicherweise beleidigt hatte, und war aufrichtig zerknirscht.
    »Nein, nein, ich bin ganz Ihrer Meinung.« Hester schmunzelte. »Und ich wage zu behaupten, daß sie das gleiche von uns denken.«
    Damaris zuckte zusammen. »Touche. Hat Edith Ihnen davon erzählt?«
    »Von der Dinnerparty? Nein, sie hielt es für besser, wenn Sie das tun, weil Sie dabei gewesen sind.« Hester hoffte, besorgt und nicht über die Maßen neugierig zu klingen.
    Damaris schloß die Augen und ließ sich noch tiefer ins Sofa rutschen.
    »Es war ein grauenhafter Abend. Ein komplettes Fiasko, fast von der ersten Minute an.« Sie riß die Augen wieder auf und starrte Hester voll ins Gesicht. »Wollen Sie es wirklich hören?«
    »Wenn es für Sie nicht zu schmerzhaft ist…« Das entsprach keineswegs der Wahrheit. Sie wollte es um jeden Preis wissen, aber ihr Sinn für Anstand und ein gewisses Mitgefühl hinderten sie daran, zu sehr darauf zu pochen.
    Damaris zuckte die Achseln, wich Hesters Blick jedoch aus.
    »Es macht mir nichts aus, darüber zu sprechen – ich muß sowieso die ganze Zeit daran denken. Teilweise kommt es mir inzwischen gar nicht mehr real vor.«
    »Fang ganz von vorn an«, riet Edith, während sie die Füße anzog. »Nur so gelingt es uns vielleicht, uns einen Reim darauf zu machen. Thaddeus wurde allem Anschein nach tatsächlich ermordet. Es wird ziemlich unangenehm werden, bis wir herausgefunden haben, von wem.«
    Damaris erschauerte. Sie warf ihrer Schwester einen säuerlichen Blick zu und konzentrierte sich wieder auf Hester.
    »Peverell und ich waren die ersten. Sie kennen ihn noch nicht, aber er würde Ihnen gefallen.« Sie sagte es völlig unbefangen und keineswegs effektheischend; es war eine bloße Feststellung.
    »Zu diesem Zeitpunkt waren wir noch guter Dinge und freuten uns auf den Abend.« Sie verdrehte die Augen zur Decke.
    »Können Sie sich das vorstellen? Kennen Sie Maxim und Louisa Furnival? Nein, wahrscheinlich nicht. Edith sagt, Sie verschwenden Ihre Zeit nicht in der Londoner Gesellschaft.«
    Hester musterte schmunzelnd ihre im Schoß gefalteten Hände, um Ediths Blick nicht begegnen zu müssen. Was für eine charmante Umschreibung. Aus dem heiratsfähigen Alter war sie mit ihren weit über fünfundzwanzig Jahren eindeutig heraus, und dabei war fünfundzwanzig noch wohlwollend geschätzt. Zudem besaß sie weder eine stattliche Mitgift, da ihr Vater kurz vor seinem Tod das gesamte Vermögen verloren hatte, noch einen gesellschaftlichen Hintergrund, der irgend jemanden hätte reizen können. Zu guter Letzt erfreute sie sich noch einer unbequem direkten Art und hatte zu viele eigene Meinungen, die sie sich obendrein nicht scheute kundzutun.
    »Ich habe viel zuwenig Zeit, um welche verschwenden zu können«, erwiderte sie laut.
    »Und ich viel zuviel«, warf Edith ein.
    Hester brachte sie zum Thema zurück. »Bitte, erzählen Sie mir von den Furnivals.«
    Der unbekümmerte Ausdruck in Damaris’ Gesicht löste sich schlagartig in Luft auf.
    »Maxim ist im Grunde ganz umgänglich – auf eine grüblerische, schwermütige Art. Er ist geradezu furchterregend anständig und schafft es

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