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Eine Spur von Verrat

Eine Spur von Verrat

Titel: Eine Spur von Verrat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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vorlag.
    »Wie?« Damaris schaute mit gerunzelter Stirn zum Fenster hin. »Ach so – ja sicher, jeder an genau dem Arm, der zu diesem Zweck auserkoren worden war, ganz im Sinne der guten alten Etikette. Stellen Sie sich vor, ich weiß nicht mal mehr, was es gab.« Die Schultern unter der bildschönen Bluse hoben sich leicht. »Nach dem zu urteilen, was ich geschmeckt habe, hätte es Brotsuppe sein können. Nach dem Dessert begaben wir uns in den Salon, um Unsinn zu reden, während sich die Herren der Schöpfung ihren Portwein zu Gemüte führten, oder was immer Männer im Speisezimmer tun, wenn die Frauen weg sind. Ich habe mich schon oft gefragt, ob sie überhaupt etwas Hörenswertes zu sagen haben.« Sie warf Hester einen raschen Blick zu. »Sie nicht auch?«
    Hester lächelte flüchtig. »Doch, das habe ich. Aber ich denke, es ist einer dieser Fälle, in denen die Wahrheit enttäuschend wäre. Es sollte besser ein Geheimnis bleiben. Kamen die Männer später auch in den Salon?«
    Damaris verzog das Gesicht zu einem eigenartigen, halb ironischen, halb wehmütigen Lächeln. »Sie meinen, ob Thaddeus zu der Zeit noch lebte? Ja, das tat er. Sabella ging nach oben, weil sie ihre Ruhe haben beziehungsweise – wenn Sie mich fragen – weil sie schmollen wollte, aber ich weiß nicht mehr genau, wann das war. Jedenfalls bevor die Männer hereinkamen, denn ich dachte noch, daß sie die Absicht hatte, Thaddeus aus dem Weg zu gehen.«
    »Abgesehen von Sabella befanden sich also alle im Salon?«
    »Ja. Die Unterhaltung war überaus gestelzt. Noch mehr als sonst. Fruchtlos ist sie immer. Louisa ließ boshafte kleine Spitzen gegen Alex los, selbstverständlich alle mit einem liebenswürdigen Lächeln auf den Lippen. Dann stand sie auf und schlug Thaddeus vor, nach oben zu gehen und Valentine einen Besuch abzustatten…« Sie stieß ein jähes Keuchen aus, als hätte sie sich an etwas verschluckt, und ließ es in einem geschickten Hüsteln ausklingen. »Alex war außer sich. Ich erinnere mich noch so deutlich an ihren Gesichtsausdruck, als ob es erst eine Minute her wäre.«
    Hester wußte, daß Damaris über eine Sache sprach, die sie zutiefst aufwühlte, hatte aber weder eine Vorstellung weshalb, noch um welche Gefühle genau es sich dabei handelte. Ließ sie die Angelegenheit nun allerdings auf sich beruhen, konnte sie es gleich ganz sein lassen.
    »Wer ist Valentine?«
    »Valentine ist der Sohn der Furnivals. Er ist dreizehn, fast vierzehn.« Damaris’ Stimme klang rauh.
    »Und Thaddeus hatte ihn gern?« fragte Hester ruhig.
    »Ja, sehr gern.« Ihr Ton hatte etwas derart Endgültiges, ihr Gesicht einen so völlig leeren Ausdruck, daß es Hester unmöglich war, weiter in sie zu dringen. Edith hatte ihr von Damaris’ Kinderlosigkeit erzählt, und sie besaß genug Feingefühl, um sich die Emotionen vorstellen zu können, die die knappe Antwort möglicherweise verbarg. Sie kehrte zum unmittelbaren Thema zurück.
    »Wie lang war er fort?«
    Damaris schenkte ihr ein seltsam schmerzliches Lächeln.
    »Für immer.«
    »Oh.« Die Antwort brachte Hester mehr aus der Fassung, als sie erwartet hatte. Sie war regelrecht entsetzt und bekam einen Moment lang keinen Ton heraus.
    »Tut mir leid«, sagte Damaris rasch, während sie Hester mit riesengroßen, dunklen Augen ansah. »Ich weiß nicht genau, wie lang. Ich war zu sehr in meine Gedanken vertieft. Eine ganze Weile. Es war ein ständiges Kommen und Gehen.« Sie lächelte wieder, diesmal, als besäße die Vorstellung für sie eine Art strafenden Humor. »Maxim verschwand, um irgend etwas zu holen, Louisa kehrte allein zurück, dann ging auch Alex – vermutlich auf Thaddeus’ Fersen – und kam wieder. Schließlich verschwand Maxim zum zweitenmal, nun in die Eingangshalle. Ach ja – ich hätte Ihnen sagen sollen, daß sie die Hintertreppe zu dem Flügel nahmen, in dem Valentines Zimmer liegt. So kommt man schneller hin.«
    »Sie sind dort gewesen?«
    Damaris wandte den Blick ab. »Ja.«
    »Maxim verschwand in die Eingangshalle?« soufflierte Hester.
    »Ja – richtig. Und als er zurückkam, sah er ganz erbärmlich aus und meinte, es hätte einen Unfall gegeben. Thaddeus wäre über das Geländer gefallen und schwer verletzt, bewußtlos. Heute wissen wir natürlich, daß er tot war.« Sie hatte Hester die ganze Zeit über sorgfältig beobachtet, schaute nun aber weg.
    »Charles Hargrave sprang auf der Stelle auf und ging nachsehen. Wir blieben zurück und schwiegen uns an. Alex war

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