Eine Squaw wie Dynamit
an seinem Holster auf. Im Magazin seines Remingtons steckten sechs Patronen. Ein gutes oder ein böses Omen?
Die Frage würde sogleich beantwortet werden.
»Warum seid ihr hinter uns her?«, rief er.
Zunächst blieb die Antwort aus. Die Männer bildeten einen Halbkreis um die Kutsche. Niemand sprach ein Wort. Offenbar war es abgesprochen, dass der Anführer die Verhandlung führte.
Lassiter Vermutung stimmte genau. Der Mann mit dem Sombrero zügelte seinen Falben fünf Schritte von der Kutsche entfernt. Dann nahm er den Feldstecher, der ihm um den Hals hing, und spähte über Lassiter hinweg auf die Sandpiste.
»Was wollt ihr?«, fragte Lassiter, ruhig, aber bestimmt.
»Wir sind hinter der Squaw her, grunzte der Sombrero-Mann, ohne das Fernglas zu senken, »die rote Hexe, die Brad Merrick aufgeschlitzt hat.«
»Magena ist keine Hexe!«, krähte Betsy vom Wagen.
Lassiter fuhr wütend herum. »Kein Wort mehr! Halten Sie sich da raus, Betsy!«
Sie zog einen Flunsch. Zu Tode beleidigt, setzte sie ihre Versuche fort, ihre Haare wieder in Form zu verbringen.
Lassiter ärgerte sich über seine vorlaute Beifahrerin. Betsy war manchmal ein richtiges Kamel. Es hoffte, dass sie jetzt den Mund hielt. Sie hatte schon viel zu viel ausgeplaudert.
»So, so, Magena heißt das Luder also.« Die Stirn des Sombrero-Mannes bekam ein paar Falten mehr. »Das ist sehr interessant. Ihr scheint euch gut zu kennen, was?«
Lassiter verspürte nicht die geringste Neigung, sich von dem Kerl aushorchen zu lassen. »Wer sind Sie? Und wie kommen Sie dazu, von mir Rechenschaft zu fordern?«
»Ich bin Jim Webb«, verkündete der Mann. »Meine Jungs und ich wollen Gerechtigkeit. Ein Mord sollte nicht ungesühnt bleiben.«
Damit hatten sich Lassiters Befürchtungen bewahrheitet. Die selbsternannten Rächer waren auf dem Weg ins Reservat. Webbs Leute waren mit Winchestern, Springfields und Revolvern bewaffnet. Zwei von ihnen trugen breite Patronengürtel schräg über der Brust.
»Magena hat in Notwehr …«
»Sei still, Betsy!« Lassiter rang um Fassung. Diese Betty Barrow brachte sie noch alle in Teufels Küche. Glaubte sie, mit ihrer herausfordernden Art würde sie Webbs Lynchkommando von ihrem Racheplan abhalten können?
Er fixierte den Anführer. »Ich nehme mal an, der Sheriff weiß nichts von eurem Alleingang, oder?«
Webb nahm den Feldstecher herunter. »Wozu sollten wir ihn behelligen? Der Mann hat genug anderes zu tun. Solche Dinge erledigen wir in eigener Regie.«
»Ihr scheint vergessen zu haben, dass das Navajo-Reservat für euch tabu ist«, erinnerte Lassiter. »Die Regierung hat es den Indianern zugesprochen. Es könnte höllischen Ärger geben, wenn ihr dort aufkreuzt.«
Webb grinste schief. »Der Gerechtigkeit willen nehmen wir das gerne in Kauf.«
Seine Männer nickten beifällig. Einer verbiss sich nur mit Mühe das Grinsen.
Lassiter spürte, dass er in der Sackgasse steckte. Nirgendwo ein Ausweg in Sicht. Die Karre steckte tief im Dreck. Allein würde er gegen die Sechs kaum etwas ausrichten können. Sie hatten den Wagen umzingelt und die Waffen griffbereit.
Bei einer Schießerei würde er vielleicht zwei, drei von ihnen kampfunfähig machen können, aber die anderen würden ihn in Stücke schießen, wenn er jetzt die Nerven verlor. Auch Betsy Barrow würde nicht ungeschoren davonkommen.
Webb stieß einen Pfiff aus. »Kommt, Leute, wir müssen weiter, sonst gehen uns noch die Laternen aus!«
»Sie müssen etwas tun, Lassiter«, zischelte Betsy vom Wagen. »Es wird eine Katastrophe geben, wenn die Typen in das Dorf einfallen. Denken Sie nur an die vielen Frauen und Kinder.«
»Das tue ich«, murmelte Lassiter leise.
In seinem Schädel wirbelte ein Tornado, während er den davonpreschenden Reitern hinterher sah.
Die Zeit schien still zu stehen.
Und Lassiter hatte keinen Plan.
***
Will Paisley riss erschrocken den Kopf hoch, als die Tür aufsprang.
»Magena!«, entfuhr es ihn.
Sie musterte ihn kühl. »Eine Horde Männer ist auf dem Weg ins Dorf. Sie sind bis an die Zähne bewaffnet.«
Paisley schob rasch das Blatt Papier beiseite, auf das er in verschnörkelten Buchstaben BETSY BARROW geschrieben hatte. Er war tief in Gedanken gewesen und dabei hatte er immer wieder an die nette Frau denken müssen, die um ein Haar ermordet worden war.
Jetzt stand er auf und zwängte sich um den Schreibtisch herum. »Warum bist du hier, Magena?«, fragte er. »War es dir im Ghost Canyon zu einsam?«
Mit einer
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