Eine Stadt names Cinnabar
und Kandelman, die in lebhafter Unterhaltung auf einer Schaumgummicouch im Schutze des ausladenden Geweihes eines gasgefüllten Elchs eng beieinander sitzen.
„Miststück“, sagt Sternig.
„Wer?“ fragt Tourmaline, „Kandelman oder deine Francie?“
„Hör auf!“ Sternig runzelt die Stirn. „Sie ist nicht meine.“
„War sie das nicht einmal?“
Als sie mit mir nach Hause ging? überlegt Sternig. Es war einmal … Jack Burton feierte eine seiner Neuauflagen. Nach der Party gingen wir nicht zu mir nach Hause, sondern an den Strand. Miteinander …
Auf der Autobahn fuhren sie aus der Stadt hinaus. Er fuhr Francies Wagen, ein niedriges starkes Cabriolet. Bei der schnellen Fahrt durch die engen Kurven des Kleeblattzubringers schien die Straße in sich selbst zurückzulaufen. Francie kuschelte sich an ihn, lachte, flüsterte ihm ins Ohr. Bei Tondelaya Beach verließen sie die Autobahn, und zwischen den hohen roten Klippen und der weiten Fläche der See fanden sie ein Motel.
Von der See reflektiertes Licht schlug Wellen an der Zimmerdecke. Sanft legte er sie auf das Bett und begann, Haken, Ösen und Knöpfe zu lösen. Sie lächelte zu ihm hinauf, und er sagte ihr, daß ihre dunklen Augen vor Erregung zitterten.
Doch dann, als er neben ihr lag, übermannte ihn seine eigene Erregung, und er wandte sich ab, Entschuldigungen murmelnd.
„Nein!“ sagte sie, „mach gefälligst jetzt nicht schlapp!“
Aber … „Es tut mir leid“, konnte er nur wiederholen – sonst war wenig zu sagen.
Doch was sie darauf sagte, war so grausam, daß er sich nicht daran erinnern mochte.
„Ich weiß noch“, murmelte Sternig, „als … als …“
„Ja?“
„Ich habe es vergessen“, brach er ab. „Und jetzt muß ich noch einen Drink haben.“
„Kannst du dich nicht erinnern? Oder willst du nicht?“
„Kann nicht“, erwiderte er, „das glaube ich wenigstens … kann nicht … aber ich bin mir da nicht ganz sicher. Von Zeit zu Zeit laß ich mir das Gehirn ausspülen. Du nicht auch?“
Tourmaline nickt. „Gelegentlich. So selten wie möglich. Mir ist es lieber, so viele Erinnerungen zu behalten, wie es geht. Andernfalls tendiere ich dazu, meine Fehler zu wiederholen.“
„Mit der Zeit“, erwidert Sternig, „wiederholen wir uns alle.“
„Manche mehr als andere.“ Sie deutete über die Halle. „Francie geht einmal im Jahr zur Gehirnspülung, vielleicht auch öfter. Ich habe sie im Verdacht, daß sie jeden Monat hingeht, vielleicht sogar jede Woche.“
„Wahrscheinlich sind ihr ihre Erinnerungen zuwider“, mutmaßte er.
„Sie übertreibt das Vergessen. Ihr Hirn ist immer frisch für die nächste Party. Gewaschen, gespült, gewirbelt, nochmal gespült und trockengeschleudert. Ich könnte weinen.“
„Aber du weinst nicht.“
„Nein“, muß Tourmaline zugeben.
„Du solltest sie nicht hassen …“ beginnt Sternig.
„Ach, halt den Mund!“ Aber ihre Stimme ist noch sanft. „Nun hol dir schon einen Drink.“
In gewissen Abständen, aber nie so oft, daß die Abgeschiedenheit des Ortes beeinträchtigt wurde, kam Tourmaline zu Besuch im Häuschen am Strand. Am allerliebsten schwamm sie nackt in der See. Am späten Nachmittag lag sie mit Francie auf dem Floß, während Sternig an Land das Abendessen bereitete. Mit ihren kräftigen aber sanften Fingern massierte sie Francies verspannte Nackenmuskeln.
„Sag mir, warum du so durcheinander bist.“
Francie versuchte, es abzustreiten.
„Nein“, sagte Tourmaline, „ich kenne dich zu lange und zu gut.“
Eine Zeitlang ließ Francie wortlos den Kopf unter Tourmalines knetenden Fingern hin und her rollen. Auf einmal fragte sie: „Hast du Angst vorm Sterben?“
„Nicht mehr“, antwortete Tourmaline.
„Nicht dein Körper“, sagte Francie, „ich meine, du selbst.“
„Meinen Geist?“ Francie antwortete nicht, und Tourmaline sprach weiter: „Ich werde gelegentlich darüber nachdenken.“
„Ich habe nachgedacht“, erwiderte Francie, „und ich habe Angst.“
„Dann vergiß es jetzt.“
„Mein Vater – hast du ihn gekannt?“
„Nein.“
„Er war zu alt für die Therapie, doch er lebte ein ganzes Stück in sein zweites Jahrhundert hinein. Als er älter wurde, geschah irgend etwas mit seinem Geist.“
„Senilität.“
„Ja, das war es. Er wohnte bei uns, und ich beobachtete ihn jeden Tag. Ich mußte ganz, ganz leise sein, sonst regte er sich auf. Und manchmal kannte er mich nicht.“
Besänftigend strich Tourmaline über
Weitere Kostenlose Bücher