Eine Stadt names Cinnabar
und er erzählte ihr die alte Sage. Das langweilte sie, und sie betastete ihn, schon wieder hungrig. Er schwieg und versuchte, jeden Millimeter ihrer Haut zu küssen.
Endlich – wiederum – schrak sie erschauernd vor dem Gipfel zurück. Als er eben einschlafen wollte, bat Francie ihn, ihr etwas Schönes zu erzählen.
„Nichts Schlimmeres gibt es, als sich in Zeiten der Not des Glücks zu erinnern.“
„Das ist hübsch.“
„Von Dante“, sagte er.
„Armer Sternig“, sagte Tourmaline. „Kein Mitleid, bitte.“
„Nein. Ich hasse Mitleid. Es ist nur Mitgefühl.“
„Ich brauche dein Mitgefühl nicht“, antwortet er finster.
Sie fährt leicht mit der Hand durch sein Haar, als sei er ein Kind, dann zeichnet sie mit dem Zeigefinger den Umriß seines Unterkiefers nach. „Ich habe dich gern, Sternig. Du erinnerst mich an einen alten Freund. Ich mag nicht, wenn du dir selbst weh tust und immer wieder deine alten Fehler durchspielst.“
„Was war mit deinem Freund?“
„Er ist, glaube ich, gewissermaßen tot“, sagte Tourmaline tonlos. „Vielleicht ist er verrückt und irgendwo eingesperrt. Oder wahnsinnig und läuft frei herum.“
„Ich weiß, was ich tue“, sagt Sternig.
„Nein, du weißt es nicht. Du denkst vielleicht, du weißt es.“
„Du denkst, ich soll Francie vergessen.“
„Ja“, antwortet sie geduldig, „ja, das sollst du.“
„Und wenn nicht?“
„Dann verlierst du deinen Verstand, deine Seele – alles verlierst du.“
„Ich weiß nicht recht“, antwortet Sternig nachdenklich.
Zornig runzelt sie die Stirn. „Sternig, spring ab von diesem Karussell!“
Sex auf den Auto-Rücksitzen. Seniler Rückfall in pubertäre Erinnerungen. Kandelman lenkt Francies Wagen zu einer kahlen Klippe über der See. Heute nacht ist das Wasser glasig. Ein paar Minuten lang starren sie auf die Wasserspiegelungen der Sterne, die bis zum Horizont am Himmel glitzern. „Wunderschön, das Meer“, eröffnete Francie mit dem alten Gambit.
Kandelman krümmt sich innerlich. „Nicht schöner als du.“
„Nicht sprechen“, sagte Francie, „liebe mich, bitte.“ Sie liegt quer überm Sitz, den Kopf in Kandelmans Schoß. Wann habe ich mich zuletzt gesprayt? überlegt sie, und wie mag ich riechen?
Kandelman streichelt ihr Haar, hebt ihren Kopf zu sich empor, küßt sie, sanft und zärtlich zuerst, dann fordernder. Sie legt sich zurück, er streichelt ihre Schenkel, ihren Leib. Kleine animalische Schreie kommen aus Francies Kehle, sie zittert wie vor Kälte. Kandelmans Finger streicheln und streicheln. Er will sich diese wundersamen Brüste für zuletzt aufheben, wie der Gourmet sein Dessert.
Doch als er diese Brüste berührt, die zum ersten Mal nackt vor seinen Augen liegen, erstarrt seine Hand mitten in der Bewegung. Noch einmal tastet er, zögernd, die Brüste. Und hält wiederum inne.
„Was ist?“ fragt Francie mit geschlossenen Augen.
„Sie fühlen sich nicht richtig an“, sagte Kandelman.
Francie öffnet die Augen. „Gefallen sie dir nicht?“
„Sie sehen wunderbar aus. Aber da ist irgendwas …“
„Ich habe sie extra für dich richten lassen“, ruft Francie aus.
„So ein seltsames Gefühl.“ Vorsichtig tippt Kandelman mit einem Finger an.
„Prima sind sie! Non-allergisch. Die beste Alloplastik, die …“
„Da stimmt was nicht. Irgendwas ist unnatürlich …“
„Die Warzen sind elektrostimulabel, angeschlossen an …“
„Ich will eine Frau!“ sagte Kandelman.
Francie nimmt ihre Zuflucht zu Tränen, und Kandelman streichelt ihr Haar. Unvermittelt hört sie auf zu weinen, forscht mit der Hand, hebt den Kopf. „Nein“, sagt sie, „mach jetzt nicht schlapp!“
Er versucht, mit einem Scherz darüber hinwegzukommen, spielt herum. Das Schweigen dauert an, er starrt aufs Meer hinaus. Nach ein paar Minuten sagt sie: „Wie wär’s mit einem bißchen Französisch?“
„Scheiße“, sagt er.
Dann herrscht wieder Stille, und schließlich rückt Kandelman mißmutig zur Seite. Francie seufzt, setzt sich auf, starrt aus dem Fenster.
„Fahren wir wieder zur Party“, sagt sie.
Die Tanzfläche hängt in der Nacht. Tourmaline und Sternig sitzen an einem Tischchen am Rande. Paare driften vorbei, Gruppen, hier und da auch jemand allein.
„Gehirnwäsche und Erneuerung“, sagt Tourmaline. Sie haben wieder über die Vergangenheit gesprochen. „Aber die Zeit reicht tief. Wir neigen dazu, in endlosen Wiederholungen zu leben. Die Rinnen sind zu tief
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