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Eine Stadt names Cinnabar

Eine Stadt names Cinnabar

Titel: Eine Stadt names Cinnabar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Bryant
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eingeschnitten. Ausbrechen kann man durch einen höheren Willensakt.“
    „Diesen Willen bringe ich nicht auf“, entgegnet Sternig. „Das weiß ich nun.“
    „Du hast es schon vorher gewußt. Ich kann mich daran erinnern. Du nicht?“
    Wortlos sieht er sie an.
    „Wie ist es möglich, daß du es weißt“, fragt sie, „und trotzdem nicht danach handeln kannst?“
    Sternig sieht, daß Francie auf der anderen Seite der Tanzfläche wartet. Er steht auf und blickt Tourmaline ausdruckslos an. „Nächstes Mal hilfst du mir, bitte. Ja?“ Er stammelt ein bißchen.
    „Vielleicht nächstes Mal“, antwortet sie.
    Sternig geht. Auf halbem Weg bleibt er zwischen den wirbelnden, tanzenden Paaren stehen, lächelt und blickt traurig auf Tourmaline zurück.
    Sie sieht den beiden nach, die in der Dunkelheit verschwinden. „In der Liebe“, sagt sie zu sich, „kriegt man immer den Partner, den man verdient“; aber sie weiß genau, daß sie ganz etwas anderes fühlt.
    Tourmaline seufzt, blickt suchend über die Gäste, späht aus nach der klaren Schönheit von Marlenes schimmerndem Haar.

 
Die Legende von Puma Lou Landis
     
     
     
    Sterbend lag Yakov der Gärtner im Geröll der Wüste. Er wälzte sich auf die linke Seite, die Augen nach Osten, und sah die Sterne über Cinnabar verschwimmen. Oh – etwas Wärme! Stirbt man so vor Kälte? Yakov hatte immer gemeint, Erfrieren sei ein langsames Absinken in einen sanften Schlummer. Gewiß, zuerst kam der scharfe Zubiß des Frostes. Doch dann kam der Tod wie ein Schlaf immer näher. Aber nicht für Yakov: er lag schon stundenlang in gespannter Erwartung. Unerträglich schmerzte seine Haut in dem scharfen Geröll. Sein Herr hatte ihn geschlagen und ihm dabei einige Knochen gebrochen. Yakov wimmerte leise und betete, die Kälte möge ihn töten.
    Und da war eine Antwort im Wind, Yakov horchte gespannt. War es sein Herr, der wiederkam, um ihm noch mehr Schmerzen zu bereiten? Yakov versuchte, Geröll über sich zu scharren, den Schatten zu vertiefen, in dem er sich verbarg. Wieder brachte der Wind die Stimme heran, noch näher diesmal. „Ist jemand dort? Wer ist da?“
    Mit seiner gesunden Hand zerrte Yakov an einem kleinen Steinblock. Wider Willen wimmerte er.
    „Ich höre dich. Du bist am Fuß der Düne. Was ist dir?“
    Eine Gestalt erhob sich in der Nacht und beugte sich über ihn. Angstvoll krümmte sich Yakov und schloß die Augen. Leise kitzelnd strich Haar über sein Gesicht.
    „Du bist verletzt, nicht wahr?“ Sanft berührte eine Hand Yakovs gebrochene Gliedmaßen.
    Yakov öffnete die Augen und versuchte, sie einzustellen. „Wer bist du?“
    „Ich will dir helfen.“ Die Stimme war leise und mitfühlend. Vorsichtig untersuchten ihn die Finger der Frau. „Lieg ganz still!“
    „Es tut sehr weh.“
    „… tut sehr weh.“
    „Lohnen sich die Schmerzen?“ fragte ihre Mutter.
    Sie starrte auf ihre Hände, bog mehrmals die Finger, machte dann eine Faust. Sie streckte den Zeigefinger und führte ihn langsam an die Nase. Der Finger berührte die Oberlippe, und sie schrak zurück. „Sie haben sich gelohnt“, versicherte sie. „Dieses seltsame Gefühl – nun, das ist etwas anderes.“
    „Ich glaube, du liegst im Sterben.“
    „Ich weiß. Seit Stunden will ich sterben.“
    „Dir ist kalt“, sagte die Frau. Sie zog ein Stück Stoff, weich und warm, über Yakov. Sie knipste ein Feuerzeug an. „Hier wird es wohl kein Brennholz zum Feuermachen geben.“
    Yakov starrte in ihr Gesicht. „Ich kenne dich. Ich habe von dir gehört. Du bist Puma Lou.“ Mit müdem Staunen blickte er auf ihr langes bräunliches Haar und die großen veilchenblauen Augen. Dann erlosch die Flamme. „Wirst du mir helfen?“
    „Du weißt doch, daß du sterben mußt.“
    „Ich will Rache.“
    „Wer hat dies getan?“
    „Josephus der Verwalter. Ich arbeitete in seinem Gewächshaus. Seine Lieblingsorchideen waren die Flammenden Falter. Irgendwie sind sie am Rost eingegangen. Josephus war wütend.“
    „Der Hundesohn“, sagte Puma Lou.
    „Ich glaube, es wird kälter.“
    „Es tut mir leid, daß ich dir nur meinen Umhang geben kann.“
    „Gut, daß du gekommen bist.“ Yakov verschluckte sich an hochkommendem Blut und drehte den Kopf zur Seite, um es auszuspucken.
    „Möchtest du, daß dieses Schwein stirbt?“
    Der Operationssaal glitzerte wie Sonnenlicht auf Schnee. Ihr war, als müsse sie sterben; dann fiel ihr ein, wie bald, wie großartig sie leben würde.
    Verzerrt lächelte Yakov

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