Eine Stadt names Cinnabar
Finger hoch. „Ich kann doch zum mindesten verlangen, daß du meine Neugier befriedigst.“
Obregon ließ die Hand sinken. „Was möchtest du wissen? Ich habe dir doch erklärt, daß es ein Irrtum war.“
„Sage mir, wo ihr eigentlich hinwollt.“
„Direkt ins STADT ZENTRUM.“
Anita riß die Augen auf. „So weit? Ihr alle?“
„Wir alle“, sprach Torre mit ihrer seltsam tiefen Stimme. Etwas wie Verständnis dämmerte auf dem Gesicht der Frau. „STADT ZENTRUM! Timnath, ist das diese wilde Geschichte, mit der du uns jahrelang Angst gemacht hast?“
„Ich habe mich auf viele wilde Geschichten eingelassen.“
„Die Sache mit dem Computer“, erwiderte sie ungeduldig und rief dann triumphierend aus: „Ich weiß schon! Du hast gesagt, Terminex funktioniert nicht mehr ganz richtig und kann uns nicht mehr dienen. Du hast gesagt, du würdest dich mit Terminex näher befassen, und die Quelle des Computers sei das STADT ZENTRUM.“
„Nicht nur das habe ich gesagt, sondern auch, daß ich von Terminex selbst erfahren habe, er wolle die Existenz der Stadt Cinnabar beenden.“
Anita keuchte vor Lachen. „Die Stadt ist praktisch der eigene Leib des Computers. Will er vielleicht …“ – sie wurde wieder ernst – „… Selbstmord begehen?“
„Vielleicht – wenn Terminex verrückt geworden ist“, erwiderte Obregon.
„Wie abstoßend“, wußte Anita nur zu entgegnen, „ein abstoßender und alberner Gedanke!“
„Mag sein. Deswegen gehen wir ja eben ins STADT ZENTRUM – um selbst zu sehen, wie es steht.“
„Dann geht“, entschied Anita mit königlicher Geste. „Ihr Narren! Dann sind wir euch wenigstens los.“ Sie wandte sich um und blickte abschätzig auf die Geladenen, die immer noch gleichmütig umherwandelten. „Ich habe mich mit euch nur unterhalten, weil ihr nicht ganz so langweilig seid wie diese Offiziellen da.“
„Hättest du nicht Lust mitzukommen?“
Einen kurzen Augenblick schien sie erschrocken, dann senkte sich die matte Langeweile wieder über ihre Züge. „Nein. Ja. Nein …“ – sie geriet fast ins Stottern – „… also: nein.“
„Bestimmt nicht?“
Sie schüttelte den Kopf, erst zögernd, dann entschieden. „Geht jetzt.“ Damit drehte sie sich um und schritt auf die Brücke zu. Die Fünf unter dem Blumenbogen vernahmen erst den Glockenton und dann Anitas über die Schulter gesprochenen Abschiedsworte: „Viel Glück!“ …
… und befanden sich
an einem Ort von erschreckender, äußerster Leere.
„Wo …?“
„Wie …?“
„Was …?“
Die Worte überschlugen sich und erstickten.
„Das kann doch nicht Cinnabar sein“, sagte Torre und war fest davon überzeugt, daß keiner ihrer Gefährten sie hören konnte.
„Timnath!“ schrie Tourmaline, „ich kann dich nicht sehen!“ Sie tastete sich vor.
Obregan packte mit seinen langen Armen zu, als müsse er einen Wurf neugieriger Kätzchen zusammenhalten. „Ruhe, alle miteinander! Wir können mit der Rollbahn wieder zurück.“ Irgendwie gelang es ihm, sie alle wieder in das Tor zu scheuchen. Sie spürten, wie der klein-Effekt an ihren Muskeln und Sehnen zerrte; dann …
… befanden sie sich
taumelnd neben dem Stamm einer riesigen Eiche im Walde bei Tourmalines Haus.
Wütend hieb Obregon die Handfläche gegen die rauhe Borke der Station. „Dreckding, verdammtes! Es weiß Bescheid!“
„Wer weiß Bescheid?“ fragte Blau-Jade.
„Terminex“, antwortete Tourmaline resigniert.
„Ich bin früher schon in Richtung STADT ZENTRUM gekleint“, fuhr Obregon fort, „aber diesmal weiß der Computer irgendwie, daß wir zu ihm wollen. Das war Terminex, der die Gleitbahn manipuliert hat.“
„Er läßt uns nicht an das STADT ZENTRUM heran“, ergänzte Tourmaline.
„Aber das Luftboot?“ schlug Wylie Cafter vor und sah sie nachdenklich an.
„Das Übergewicht …“ wandte Tourmaline ein.
„Wir müssen eben zwei auswählen, die hierbleiben“, sagte Obregon. „Das Luftboot ist viel langsamer als die Gleitbahn, aber auf jeden Fall schneller, als wenn wir zu Fuß gehen.“
„Es ist mein Boot“, sagte Tourmaline energisch, „ich fahre natürlich mit.“
„Wir werden sehen“, lächelte Obregon.
Durch das welke Laub stapften sie auf das Haus zu. „Wird Terminex nicht noch andere Mittel finden, um uns abzuhalten?“
„Mag sein“, entgegnete Obregon. „Ich bin auf merkwürdige Ausfallerscheinungen in der Mentalität des Computers gestoßen. Was in Terminex’ Denkprozeß nur ein
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