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Eine Studie in Scharlachrot

Eine Studie in Scharlachrot

Titel: Eine Studie in Scharlachrot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur Conan Doyle
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umhin, an einen reinrassigen, gut abgerichteten Jagdhund zu denken, der vor und zurück durch das Dickicht schießt und in seinem Eifer winselt, bis er die verlorene Fährte wiederfindet. Zwanzig Minuten oder länger setzte er seine Nachforschungen fort; mit größter Sorgfalt maß er die Abstände zwischen Markierungen, die mir gänzlich unsichtbar waren, und gelegentlich verwandte er sein Band in gleich unverständlicher Weise auf die Wand. An einer Stelle sammelte er sehr sorgsam einen kleinen Haufen grauen Staubes vom Boden auf und steckte ihn in einen Umschlag. Schließlich untersuchte er das Wort an der Wand mit seiner Lupe, wobei er sich jeden einzelnen Buchstaben mit der allereingehendsten Genauigkeit vornahm. Danach schien er zufrieden zu sein, denn er verstaute das Bandmaß und das Vergrößerungsglas wieder in seiner Tasche.
    »Man sagt, Genie 10 sei die Fähigkeit, sich unendlich viel Mühe zu machen«, bemerkte er mit einem Lächeln. »Das ist eine sehr schlechte Definition, aber auf die Detektivarbeit läßt sie sich anwenden.«
    Gregson und Lestrade hatten die Manöver ihres
amateur-
Kollegen mit großer Neugier und einiger Verachtung beobachtet. Offensichtlich entging ihnen die Tatsache, die ich zu begreifen begonnen hatte, daß nämlich Sherlock Holmes’ winzigste Handlungen allesamt auf ein bestimmtes und praktisches Ziel gerichtet waren.
    »Was halten Sie davon, Sir?« fragten sie beide.
    »Ich würde Sie des Ruhmes berauben, den Ihnen dieser Fall einbringt, wenn ich mich erdreisten wollte, Ihnen zu helfen«, bemerkte mein Freund. »Sie machen das so gut, daß es ein Jammer wäre, wenn jemand sich da einmischte.« Bei diesen Worten lag in seiner Stimme eine ganze Welt von Sarkasmus. »Wenn Sie mich wissen lassen, wie Ihre Ermittlungen vorankommen«, fuhr er fort, »werde ich Ihnen gern alle Hilfe geben, die ich geben kann. Inzwischen würde ich gern mit dem Constable sprechen, der den Leichnam gefunden hat. Könnten Sie mir seinen Namen und seine Adresse nennen?«
    Lestrade blickte in sein Notizbuch. »John Rance«, sagte er. »Er hat im Moment keinen Dienst. Sie können ihn in Nr. 46, Audley Court, Kennington Park Gate finden.«
    Holmes notierte sich die Anschrift.
    »Kommen Sie, Doktor«, sagte er. »Wir werden hingehen und ihn besuchen. Ich will Ihnen ein paar Angaben machen, die Ihnen bei dem Fall helfen können«, fuhr er fort; dabei wandte er sich den beiden Detektiven zu. »Es ist ein Mord verübt worden, und der Mörder ist ein Mann. Er ist über sechs Fuß groß, im besten Alter, hat für seine Größe kleine Füße, trägt grobe Stiefel, die vorn viereckig enden, und hat eine Trichinopoly-Zigarre 11 geraucht. Er ist zusammen mit seinem Opfer in einem vierrädrigen Wagen hergekommen, der von einem Pferd mit drei alten Hufeisen und einem neuen am rechten Vorderhuf gezogen wurde. Höchstwahrscheinlich hat der Mörder ein blühendes Aussehen, und die Fingernägel seiner rechten Hand sind bemerkenswert lang. Das sind nur ein paar Hinweise, aber sie könnten Ihnen nützlich sein.«
    Lestrade und Gregson sahen einander mit einem ungläubigen Lächeln an.
    »Wenn dieser Mann ermordet worden ist, wie ist der Mord dann begangen worden?« fragte ersterer.
    »Gift«, sagte Sherlock Holmes knapp und ging. »Noch etwas, Lestrade«, setzte er hinzu; er wandte sich in der Tür noch einmal um. »›Rache‹ ist das deutsche Wort für ›revenge‹; vergeuden Sie also nicht Ihr Zeit damit, daß Sie nach Miss Rachel suchen.«
    Mit diesem Schuß nach rückwärts ging er hinaus und ließ die beiden Rivalen mit offenen Mündern zurück.
4. Was John Rance mitzuteilen hatte
    Es war ein Uhr, als wir Nr. 3, Lauriston Gardens verließen. Sherlock Holmes führte mich zum nächsten Telegraphenamt, wo er ein langes Telegramm abschickte. Dann hielt er eine Droschke an und befahl dem Kutscher, uns zu der von Lestrade angegebenen Adresse zu bringen.
    »Nichts geht über Aussagen aus erster Hand«, bemerkte er. »Nebenbei bemerkt habe ich mir über diesen Fall eine endgültige Meinung gebildet, aber trotzdem sollten wir alles in Erfahrung bringen, was zu erfahren ist.«
    »Sie verblüffen mich, Holmes«, sagte ich. »Sie können doch bestimmt nicht so sicher sein, wie Sie vorgeben, was all diese von Ihnen aufgezählten Einzelheiten betrifft.«
    »Es gibt da keinen Spielraum für Irrtümer«, antwortete er. »Das Allererste, was ich dort beobachtet habe, war, daß ein Wagen nahe an der Bordsteinkante mit seinen Rädern

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