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Eine Studie in Scharlachrot

Eine Studie in Scharlachrot

Titel: Eine Studie in Scharlachrot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur Conan Doyle
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leuchten. Nun weiß ich aber, daß die zwei Häuser da in Lauriston Gardens leer stehen, weil der, dem sie gehören, nichts an den Abflüssen tun will, obwohl doch der letzte Mieter, der in einem von denen gelebt hat, an Typhus gestorben ist. Deshalb bin ich wie vom Donner getroffen, wie ich da das Licht im Fenster seh’, und ich nehm’ an, irgendwas stimmt da nicht. Wie ich zur Tür komm’ …«
    »Sie sind stehengeblieben und dann zurück zum Gartentor gegangen«, unterbrach mein Gefährte. »Warum haben Sie das gemacht?«
    Rance schrak heftig zusammen und starrte Sherlock Holmes an; seine Züge spiegelten äußerste Verwirrung wider. »Also, das stimmt, Sir«, sagte er; »aber der liebe Himmel mag wissen, wie Sie das wissen können. Sehen Sie: Wie ich zur Tür komme, da ist alles so still und einsam, daß ich mir denk’, es kann nicht schaden, wenn ich jemand bei mir hab’. Ich hab’ keine Angst vor irgendwas auf dieser Seite vom Grab; aber ich hab’ mir gedacht, vielleicht ist das der, wo am Typhus gestorben ist, und der sieht sich jetzt die Abflüsse an, die ihn umgebracht haben. Der Gedanke hat mich ein bißchen erschreckt, und deshalb bin ich zum Tor zurück, um zu sehen, ob ich Murchers Laterne sehen kann, aber da war weder von ihm noch von sonst wem irgendwas zu sehen.«
    »Auf der Straße war niemand?«
    »Keine Menschenseele, Sir, nicht mal ‘n Hund. Dann reiß’ ich mich zusammen und geh’ zurück und stoß’ die Tür auf. Drinnen ist alles ruhig, also geh’ ich in den Raum, wo das Licht brennt. Da steht ‘ne Kerze auf’m Kamin und flackert – rotes Wachs – und in dem Licht seh’ ich …«
    »Ja, ich weiß alles, was Sie gesehen haben. Sie sind mehrmals durch den Raum gegangen, haben sich neben die Leiche gekniet, und dann sind Sie aus dem Raum gegangen und haben die Küchentür untersucht, und dann …«
    John Rance sprang auf, mit einem entsetzten Gesicht und Argwohn in den Augen. »Wo haben Sie sich versteckt, daß Sie das alles gesehen haben?« rief er. »Mir scheint, Sie wissen viel mehr, als Sie wissen sollten.«
    Holmes lachte und warf dem Constable seine Karte über den Tisch zu. »Kommen Sie nicht auf den Gedanken, mich für den Mord festzunehmen«, sagte er. »Ich bin einer von den Jagdhunden, nicht der Wolf; Mr. Gregson oder Mr. Lestrade werden Ihnen das bestätigen. Aber machen Sie weiter. Was haben Sie als nächstes getan?«
    Rance setzte sich wieder; sein Gesicht verlor jedoch nicht den ratlosen Ausdruck. »Ich bin zurück zum Tor gegangen und hab’ gepfiffen, auf meiner Pfeife. Das hat Murcher und noch zwei hergeholt.«
    »War die Straße zu diesem Zeitpunkt leer?«
    »Na ja, war sie, jedenfalls, soweit das Leute betrifft, die irgend was getaugt haben.«
    »Was meinen Sie damit?«
    Die Züge des Constables veränderten sich zu einem breiten Grinsen. »Ich hab’ in meinem Leben schon so manchen Besoffenen gesehen«, sagte er, »aber noch keinen, der so randvoll war wie der Junge. Er hat am Tor gestanden, wie ich rausgekommen bin, am Geländer gelehnt und so laut er kann über Columbines neumodisches Fähnchen 14 oder so was gesungen. Der hat nicht mehr allein stehen können, von helfen nicht zu reden.«
    »Was für ein Mann war das?« fragte Sherlock Holmes.

    John Rance wirkte bei dieser Abschweifung ein wenig irritiert. »Das war ein ungewöhnlich besoffener Mann«, sagte er. »Der hätte mit aufs Revier gemußt, wenn wir nicht beschäftigt gewesen wären.«
    »Sein Gesicht – seine Kleidung – haben Sie sich nichts davon gemerkt?« unterbrach Holmes ihn ungeduldig.
    »Klar hab’ ich mir das gemerkt, ich hab’ ihn doch stützen müssen – ich und Murcher, zusammen. Er war so’n langer Kerl, mit ‘nem roten Gesicht, das unten rum vermummt …«
    »Das reicht«, rief Holmes. »Was ist aus ihm geworden?«
    »Wir hatten genug zu tun, ohne uns um ihn zu kümmern«, sagte der Polizist mit gekränkter Stimme. »Der ist bestimmt irgendwie nach Hause gekommen.«
    »Wie war er gekleidet?«
    »Er hatte ‘nen braunen Gehrock an.«
    »Hatte er eine Peitsche in der Hand?«
    »’ne Peitsche? Nein.«
    »Er muß sie zurückgelassen haben«, murmelte mein Gefährte. »Sie haben danach keine Droschke gehört oder gesehen?«
    »Nein.«
    »Hier ist ein halber Sovereign für Sie«, sagte mein Gefährte; er stand auf und nahm seinen Hut. »Ich fürchte, Rance, Sie werden in der Truppe nie aufsteigen. Ihr Kopf da, den sollten Sie nicht zur Zierde tragen, sondern auch gebrauchen.

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