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Eine Studie in Scharlachrot

Eine Studie in Scharlachrot

Titel: Eine Studie in Scharlachrot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur Conan Doyle
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zum American Exchange gegangen; er ist aber bis jetzt noch nicht zurückgekommen.«
    »Haben Sie Cleveland benachrichtigt?«
    »Wir haben heute früh telegraphiert.«
    »Wie haben Sie die Anfrage formuliert?«
    »Wir haben nur die Umstände aufgeführt und gesagt, wir wären dankbar für sachdienliche Informationen.«
    »Sie haben nicht nach Einzelheiten gefragt, was bestimmte Punkte angeht, die Ihnen als entscheidend wichtig erscheinen?«
    »Ich habe nach Stangerson gefragt.«
    »Sonst nichts? Gibt es denn keinen Einzelumstand, an dem dieser ganze Fall zu hängen scheint? Wollen Sie nicht noch einmal telegraphieren?«
    »Ich habe alles gesagt, was ich zu sagen habe«, sagte Gregson; seine Stimme klang beleidigt.
    Sherlock Holmes kicherte in sich hinein und schien eben eine Bemerkung machen zu wollen, als Lestrade, der im Vorderzimmer gewesen war, während wir dieses Gespräch in der Diele führten, wieder auf der Szene erschien und sich die Hände rieb, in einer hochtrabenden und selbstzufriedenen Weise.
    »Mr. Gregson«, sagte er, »ich habe soeben eine Entdeckung von allergrößter Wichtigkeit gemacht, und zwar eine, die übersehen worden wäre, wenn ich nicht die Wände einer sehr sorgsamen Untersuchung unterzogen hätte.«
    Die Augen des kleinen Mannes leuchteten, während er das sagte, und offensichtlich befand er sich in einem Zustand unterdrückten Frohlockens, weil er wider seinen Kollegen einen Punkt gewonnen hatte.
    »Kommen Sie«, sagte er; er stürmte wieder in den Raum, dessen Atmosphäre lichter zu sein schien, seit man seinen gräßlichen Bewohner entfernt hatte. »Also, stellen Sie sich hier hin!«
    Er riß ein Zündholz an seinem Stiefel an und hielt es vor die Wand.
    »Schauen Sie sich das an!« sagte er triumphierend.
    Ich habe bereits erwähnt, daß die Tapete sich teilweise abgelöst hatte. In diesem besonderen Teil des Raumes war ein großes Stück heruntergekommen und hatte ein gelbes Quadrat groben Putzes hinterlassen. Auf dieser kahlen Stelle stand in blutroten Lettern ein einziges Wort gekritzelt:
     
    RACHE
     
    »Was halten Sie davon?« rief der Detektiv in der Haltung eines Varietékünstlers, der seine Nummer präsentiert. »Das ist bisher übersehen worden, weil das die dunkelste Ecke des Raums ist und niemand daran gedacht hat, hier nachzuschauen. Der Mörder oder die Mörderin hat es mit seinem oder ihrem eigenen Blut geschrieben. Schauen Sie sich diesen Fleck an, wo es die Wand hinabgetropft ist! Damit ist jedenfalls die These von einem Selbstmord erledigt. Warum ist ausgerechnet diese Ecke ausgesucht worden, um das zu schreiben? Ich will es Ihnen sagen. Sehen Sie, die Kerze da auf dem Kaminsims. Zur fraglichen Zeit war sie angezündet, und wenn sie angezündet war, dann muß diese Ecke hellster statt dunkelster Teil der Wand gewesen sein.«
    »Und was bedeutet es, wenn Sie es denn nun schon gefunden haben?« fragte Gregson in mißbilligendem Tonfall.
    »Was es bedeutet? Na, es bedeutet, daß der Schreiber den Frauennamen Rachel schreiben wollte, aber gestört worden ist, ehe er oder sie die Zeit hatte, fertig zu werden. Merken Sie sich meine Worte: Wenn dieser Fall aufgeklärt ist, werden Sie feststellen, daß eine Frau namens Rachel etwas damit zu tun hatte. Sie haben gut lachen, Mr. Sherlock Holmes. Sie mögen vielleicht sehr schlau und gerissen sein, aber letzten Endes ist der erfahrene Jagdhund doch der beste.«
    »Ich muß mich wirklich bei Ihnen entschuldigen!« sagte mein Gefährte, der die gute Laune des kleinen Mannes verdorben hatte, indem er in lautes Gelächter ausgebrochen war. »Ihnen steht ganz gewiß der Ruhm zu, der erste von uns gewesen zu sein, der das gefunden hat, und wie Sie sagen, sieht es so aus, als wäre es von dem anderen Teilnehmer am Rätsel der letzten Nacht geschrieben worden. Ich habe bisher nicht die Zeit gehabt, diesen Raum zu untersuchen, aber mit Ihrer Erlaubnis möchte ich es jetzt tun.«
    Damit zog er ein Bandmaß und eine große runde Lupe aus seiner Tasche. Mit diesen beiden Geräten ging er geräuschlos durch den Raum; bisweilen blieb er stehen, manchmal kniete er nieder, und einmal legte er sich flach auf den Bauch. In seine Beschäftigung war er so vertieft, daß er unsere Gegenwart vergessen zu haben schien, denn er redete unausgesetzt leise mit sich selbst, in einem nicht abreißenden Strom von Ausrufen, Seufzern, Pfiffen und kleinen Schreien, die Ermutigung und Hoffnung andeuten mochten. Während ich ihn beobachtete, konnte ich nicht

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