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Eine Studie in Scharlachrot

Eine Studie in Scharlachrot

Titel: Eine Studie in Scharlachrot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur Conan Doyle
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warten am Canyon auf mich. Good-bye, mein Liebling – good-bye. In zwei Monaten wirst du mich wiedersehen.«
    Noch während er sprach, riß er sich von ihr los, warf sich aufsein Pferd und galoppierte Wildlings von dannen; dabei sah er sich nicht ein Mal um, als fürchte er, seine Entschlossenheit könne ihn verlassen, wenn er auch nur einen Blick auf das würfe, was er verließ. Sie stand am Tor und blickte ihm nach, bis er aus ihren Augen verschwand. Dann ging sie zurück ins Haus, das glücklichste Mädchen in ganz Utah.
10. John Ferrier spricht mit dem Propheten
    Drei Wochen waren vergangen, seit Jefferson Hope und seine Kameraden Salt Lake City verlassen hatten. John Ferriers Herz war schwer, wenn er an die Rückkehr des jungen Mannes dachte und an den drohenden Verlust seines Adoptivkindes. Ihr leuchtendes und glückliches Gesicht söhnten ihn jedoch mit der Abmachung besser aus, als jedes Argument es hätte tun können. Tief in seinem entschiedenen Herzen war er stets entschlossen gewesen, sich durch nichts je dazu bringen zu lassen, in eine Heirat seiner Tochter mit einem Mormonen einzuwilligen. Eine derartige Ehe betrachtete er nicht als Ehe, sondern als Schmach und Schande. Was auch immer er sonst von den mormonischen Lehren halten mochte, in diesem einen Punkt war er unbeugsam. Zu diesem Thema hatte er jedoch seine Lippen versiegeln müssen, denn in jenen Tagen war es im Land der Heiligen gefährlich, eine unorthodoxe Meinung auszusprechen.
    Ja, gefährlich – so gefährlich, daß auch der Heiligmäßigste seine religiösen Ansichten nur hinter vorgehaltener Hand zu flüstern wagte, damit nicht etwas seinem Mund Entfleuchtes mißverstanden werde und rasche Vergeltung über ihn bringe. Jene, die Verfolgung erlitten hatten, waren nun selbst zu Verfolgern geworden, und zwar zu Verfolgern der schrecklichsten Art. Nicht die Inquisition zu Sevilla noch das deutsche Femegericht noch die Geheimgesellschaften Italiens konnten je eine schrecklichere Maschinerie in Gang setzen als jene, die den Staat Utah verdüsterte.
    Ihre Unsichtbarkeit und die damit verbundenen Geheimnisse machten diese Organisation doppelt furchtbar. Sie schien allwissend und allmächtig, und doch war sie weder zu sehen noch zu hören. Wer sich der Kirche entgegenstellte, verschwand, und keiner wußte, wohin er gegangen, noch was ihm zugestoßen war. Frau und Kinder warteten zu Hause auf ihn, aber kein Vater kehrte jemals zurück, um ihnen zu berichten, wie es ihm in den Händen seiner geheimen Richter ergangen war. Einem voreiligen Wort oder einer überhasteten Tat folgte die Vernichtung, und dennoch wußte niemals jemand etwas über das Wesen dieser schrecklichen Macht, die über ihnen hing. Kein Wunder, daß die Menschen in Furcht und Bangen verharrten und daß sie selbst im Herzen der Wildnis die Zweifel, die sie bedrückten, nicht einmal zu flüstern wagten.
    Zunächst wurde diese vage und schreckliche Gewalt nur gegen jene Widerspenstigen angewandt, die den mormonischen Glauben angenommen hatten und ihn später verdrehen oder aufgeben wollten. Bald jedoch nahm sie größere Ausmaße an. Der Bestand an erwachsenen Frauen ging zur Neige, und Polygamie ohne hierfür ausreichende weibliche Bevölkerung ist nun wahrlich eine unfruchtbare Lehre. Seltsame Gerüchte begannen die Runde zu machen – Gerüchte über ermordete Zuwanderer und überfallene Camps in Gegenden, in denen niemals Indianer gesehen worden waren. Frische Frauen erschienen in den Harems der Ältesten – Frauen, die sich verzehrten und weinten und auf ihren Gesichtern die Spuren unauslöschlichen Grauens zeigten. Späte Bergwanderer berichteten von Banden bewaffneter Männer, maskiert, verstohlen und geräuschlos, die in der Dunkelheit an ihnen vorbeihuschten. Diese Berichte und Gerüchte gewannen Substanz und Gestalt und fanden immer wieder Bestätigung, bis sie schließlich mit einem bestimmten Namen genannt wurden. Bis heute gilt auf den einsamen Ranches des Westens der Name der Daniten-Bande oder der Rächenden Engel als unheimlich und ominös.
    Genauere Kenntnisse der Organisation, die solch schreckliche Ergebnisse zeitigte, führten eher zur Mehrung denn zur Minderung des Grauens, das sie den Herzen der Menschen einflößte. Niemand wußte, wer dieser gnadenlosen Gesellschaft angehörte. Die Namen jener, die im Namen der Religion an Blut-und Gewalttaten teilnahmen, wurden strengstens geheimgehalten. Der Freund, dem man seine Bedenken hinsichtlich des Propheten und

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