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Eine Studie in Scharlachrot

Eine Studie in Scharlachrot

Titel: Eine Studie in Scharlachrot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur Conan Doyle
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aufnahm.«
    »Wie Er es mit allen Völkern tun wird, in der von Ihm dafür vorgesehenen Zeit«, sagte der andere mit näselnder Stimme. »Er mahlt langsam, aber überaus fein.«
    John Ferrier verbeugte sich kalt. Er hatte sich bereits gedacht, wer seine Besucher waren.
    »Wir sind«, fuhr Stangerson fort, »auf den Rat unserer Väter hin gekommen, um deine Tochter zu freien für den von uns, der dir und ihr als gut erscheint. Da ich erst vier Frauen habe, Bruder Drebber hier dagegen sieben, scheint mir mein Anspruch der bessere zu sein.«
    »Nein, nein, Bruder Stangerson«, rief der andere. »Es geht nicht darum, wie viele Frauen wir haben, sondern wie viele wir ernähren können. Mein Vater hat mir jetzt seine Mühlen übergeben, und ich bin der Reichere von uns.«
    »Aber meine Aussichten sind besser«, erwiderte der andere heftig. »Wenn der HErr meinen Vater zu sich ruft, werde ich seine Gerberei und seine Lederfabrik besitzen. Außerdem bin ich älter als du und stehe höher in der Kirche.«
    »Die Maid soll darüber entscheiden«, gab der junge Drebber zurück; er grinste seinem Spiegelbild in der Fensterscheibe zu. »Wir werden alles ihrer Entscheidung überlassen.«
    Während dieses Dialogs hatte John Ferner aufgebracht unter der Tür gestanden und nur mit Mühe seine Reitpeitsche von den Rücken seiner beiden Besucher zurückzuhalten vermocht.
    »Paßt auf«, sagte er schließlich; er trat zu ihnen. »Wenn meine Tochter euch dazu auffordert, könnt ihr herkommen, aber bis dahin will ich eure Gesichter nicht wieder sehen.«
    Die beiden jungen Mormonen starrten ihn verblüfft an. In ihren Augen war ihr Wettstreit um die Hand der Maid die höchste Ehre sowohl für diese als auch für ihren Vater.
    »Es gibt zwei Ausgänge aus diesem Raum«, rief Ferrier. »Da ist die Tür, und da ist das Fenster. Welchen nehmt ihr lieber?«
    Sein braunes Gesicht blickte so grimmig und seine Hand wirkte so bedrohlich, daß seine Besucher aufsprangen und eilends den Rückzug antraten. Der alte Farmer folgte ihnen bis zur Tür.
    »Laßt es mich wissen, wenn ihr euch geeinigt habt, wer sie haben soll«, sagte er sardonisch.
    »Das wirst du uns büßen!« rief Stangerson, weiß vor Wut. »Du hast dich dem Propheten und dem Rat der Vier widersetzt. Du wirst es bis ans Ende deiner Tage bereuen!«
    »Die Hand des HErrn wird schwer auf dir lasten«, rief der junge Drebber. »Er wird sich erheben und dich zerschmettern!«
    »Dann fang ich schon mal an mit dem Zerschmettern«, rief Ferrier zürnend, und er wäre nach oben geeilt, um seine Flinte zu holen, wenn ihn Lucy nicht beim Arm gepackt und zurückgehalten hätte. Bevor er sich von ihr lösen konnte, sagte ihm das Klappern der Hufe, daß die beiden außerhalb seiner Reichweite waren.
    »Diese scheinheiligen jungen Schufte!« rief er; er wischte sich den Schweiß von der Stirn. »Ich würde dich lieber im Grab sehen, mein Kind, denn als Frau eines der beiden.«
    »Ich auch, Vater«, sagte sie heftig. »Aber Jefferson wird bald hier sein.«
    »Ja. Es wird nicht lange dauern, bis er kommt. Je schneller desto besser; wir wissen ja nicht, was sie als Nächstes unternehmen.«
    Tatsächlich war es höchste Zeit, daß jemand, der zu Rat und Beistand fähig war, dem handfesten alten Farmer und seiner Adoptivtochter zu Hilfe kam. In der ganzen Geschichte der Ansiedlung hatte es nie einen solchen Fall schieren Ungehorsams gegenüber der Autorität der Ältesten gegeben. Wenn schon mindere Verirrungen so streng gestraft wurden, was würde dann das Los dieses Erzrebellen sein? Ferrier wußte, daß sein Reichtum und seine Stellung ihm nicht helfen würden. Andere, ebenso bekannt und reich wie er, waren schon geistergleich verschwunden, und ihre Besitztümer waren der Kirche verfallen. Er war ein tapferer Mann, aber er erbebte unter den vagen, schattenhaften Schrecken, die über ihm hingen. Jeder erkannten Gefahr konnte er gefaßt entgegentreten, aber diese Ungewißheit entnervte ihn. Er verbarg diese Ängste vor seiner Tochter und tat, als nehme er die ganze Sache auf die leichte Schulter, doch mit dem scharfen Blick der Liebe konnte sie deutlich sehen, daß ihm nicht wohl in seiner Haut war.
    Er erwartete, wegen seines Verhaltens eine Botschaft oder einen Tadel von Young zu erhalten, und er irrte sich nicht, wenn es ihm auch in einer unvorhersehbaren Weise zuteil wurde. Als er sich am nächsten Morgen erhob, fand er zu seiner Überraschung ein kleines viereckiges Stück Papier auf der Bettdecke

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