Eine Studie in Scharlachrot
seiner Mission mitteilte, mochte einer von jenen sein, die nachts mit Feuer und Schwert kamen, eine schreckliche Sühne zu heischen. Daher fürchtete jedermann seinen Nachbarn, und niemand sprach von dem, was ihm wirklich am Herzen lag.
Eines schönen Morgens schickte John Ferrier sich an, auf seine Weizenfelder zu gehen, als er den Torriegel klicken hörte, und da er aus dem Fenster blickte, sah er einen stämmigen, strohblonden Mann mittleren Alters den Weg heraufkommen. Das Herz schlug ihm im Halse, denn dieser Mann war kein anderer als der große Brigham Young persönlich. Voller Bestürzung – denn er wußte sehr wohl, daß solch ein Besuch nichts Gutes bedeuten konnte – lief Ferrier zur Tür, um das Oberhaupt der Mormonen zu begrüßen. Dieser nahm die Grüße jedoch kalt entgegen und folgte ihm mit strengem Gesicht in den Wohnraum.
»Bruder Ferrier«, sagte er, wobei er sich setzte und den Farmer scharf unter seinen hellen Wimpern anblickte, »die Wahren Gläubigen sind dir gute Freunde gewesen. Wir haben dich gerettet, als du in der Wüste verhungertest, wir haben unsere Nahrung mit dir geteilt, dich sicher ins Auserwählte Tal geführt, dir ein gutes Stück Landes gegeben und es dir gestattet, unter unserem Schutz reich zu werden. Ist es nicht so?«
»Es ist so«, antwortete John Ferrier.
»Als Gegenleistung für all das haben wir nur eine Bedingung gestellt: daß du den Wahren Glauben annimmst und all seine Gebräuche achtest und einhältst. Dies hast du versprochen, und dies, wenn alle Berichte stimmen, hast du vernachlässigt.«
»Und wie soll ich es vernachlässigt haben?« fragte Ferrier; er streckte die Hände aus. »Habe ich nicht zum Gemeinschatz beigetragen? Habe ich nicht den Tempel besucht? Habe ich nicht …?«
»Wo sind deine Frauen?« fragte Young; er sah sich um. »Ruf sie herein, damit ich sie begrüßen kann.«
»Es stimmt, daß ich nicht geheiratet habe«, antwortete Ferrier. »Aber Frauen waren rar, und es gab viele Männer mit älteren Anrechten als ich. Ich bin nicht einsam gewesen: Ich hatte meine Tochter, die sich um mich kümmern konnte.«
»Genau über deine Tochter will ich mit dir reden«, sagte der Führer der Mormonen. »Sie ist zur Blume von Utah herangewachsen und hat Gnade in den Augen vieler gefunden, die im Land erhaben sind.«
John Ferrier ächzte innerlich.
»Es gibt Geschichten über sie, denen ich gern keinen Glauben schenken möchte – Geschichten, daß sie mit einem Heiden verbunden ist. Es muß wohl das Geschwätz müßiger Zungen sein.
Wie lautet das dreizehnte Gebot des Heiligen Joseph Smith? ›Jede Maid vom Wahren Glauben vermähle sich mit einem der Auserwählten; denn heiratete sie einen Heiden, so beginge sie eine schlimme Sünde.‹ Da dies so ist, kann es unmöglich sein, daß du, der du dich zum Heiligen Glauben bekennst, duldest, daß deine Tochter ihn schändet.«
John Ferrier gab keine Antwort, sondern spielte nervös mit seiner Reitpeitsche.
»In dieser einen Frage soll dein ganzer Glaube auf die Probe gestellt werden – so ist es im Heiligen Rat der Vier entschieden worden. Das Mädchen ist jung, und wir wollen weder, daß sie graue Haare heiratet, noch wollen wir sie aller Wahlmöglichkeit berauben. Wir Ältesten haben viele Färsen A1 , aber auch unsere Kinder müssen versorgt werden. Stangerson hat einen Sohn, und Drebber hat einen Sohn, und beide würden deine Tochter gern in ihrem Haus willkommen heißen. Sie soll zwischen ihnen wählen. Sie sind jung und reich und gehören dem Wahren Glauben an. Was sagst du dazu?«
Ferrier saß eine Weile schweigend und mit zusammengezogenen Brauen da.
»Gib uns Zeit«, sagte er schließlich. »Meine Tochter ist sehr jung – sie ist kaum alt genug für die Ehe.«
»Sie soll einen Monat bekommen, um ihre Wahl zu treffen«, sagte Young; er erhob sich von seinem Stuhl. »Am Schluß dieser Zeit soll sie ihre Antwort geben.«
Er war bereits in der Tür, als er sich umwandte, mit gerötetem Gesicht und blitzenden Augen. »Es wäre besser für dich, John Ferrier«, donnerte er, »wenn du und sie nun als bleiche Skelette auf der Sierra Blanca läget, als daß ihr euren schwachen Willen gegen die Anordnungen der Heiligen Vier stellt!«
Mit einer drohenden Handbewegung wandte er sich ab, und Ferrier hörte seine schweren Schritte auf dem Kiesweg knirschen.
Er saß noch immer da mit dem Ellenbogen auf dem Knie und grübelte, wie er es seiner Tochter sagen sollte, als eine sanfte Hand sich auf die
Weitere Kostenlose Bücher