Eine stuermische Braut
viel er wissen konnte wartete in England vielleicht sogar eine Ehefrau auf ihn.
Kein Gedanke hätte die wilden, romantischen Vorstellungen, die in ihr aufgekeimt waren, besser ersticken können. Linnet mahnte sich, realistisch zu bleiben. Schon bald würde er sich an diese Frau erinnern und gehen ... und dass überhaupt wilde und romantische Vorstellungen in ihrem Kopf aufgetaucht waren, bewies doch nur, dass es das Klügste und Vernünftigste war, alles zu tun, was in ihrer Macht stand, um seiner Erinnerung auf die Sprünge zu helfen. Damit er abreisen konnte, bevor sie anfing, sich nach Dingen zu sehnen, die niemals eintreten würden.
Sie schaute ihn an.
»Es ist nicht weit nach Torteval. Ins Dorf. Wir sollten hinreiten und uns erkundigen, ob dort jemand was über das Schiffswrack erfahren hat.«
Er sah zu ihr und tippte sich an den Kopf.
»Reite voran.«
Entschlossen, den Schlüssel zu seinem Gedächtnis zu finden, damit er wieder auf seinen Weg zurückkehren konnte, lenkte Linnet ihr Pferd nach Osten.
Sie ritten nach Torteval hinein, in das Dorf, das just groß genug war, um eine kleine Taverne zu beherbergen. Nachdem sie die Pferde angebunden hatten, folgte Logan Linnet nach drinnen. Die Leute aus dem Dorf grüßten sie eifrig; es war offenkundig, dass sie bekannt, beliebt und respektiert war. Als sie Logan vorstellte, wich der Eifer allerdings der Neugierde.
An den Tischen saßen alte Seemänner und Farmer; jung war niemand.
»Sie haben aber ein teuflisches Glück«, gab ein älterer Seebär ihm zu verstehen, »wenn Sie aus der Richtung, aus der Sie gekommen sind, den Pleinmont Point verpasst hätten, wären Sie in die offene See gespült worden. Nächster Halt Frankreich.«
Logan zog eine Grimasse.
»Ich bin auf den Kopf geschlagen worden. Leider fehlt mir immer noch die Erinnerung daran, wohin mein Schiff eigentlich segeln sollte.«
Linnet streifte sich die Handschuhe ab und setzte sich auf eine Bank an dem langen hölzernen Tisch, um den die Leute sich versammelt hatten.
»Hat hier in der Gegend irgendjemand irgendwas gefunden oder irgendwas Ungewöhnliches erfahren?« Sie schaute die Wirtin an, die aus der Küche gekommen war. »Bertha, ist dir vielleicht zu Ohren gekommen, dass Teile des Wracks angeschwemmt worden sind?«
Bertha schüttelte ihr lockiges Haupt.
»Nein, Miss. Wäre es aber garantiert, wenn die Teile hier angelandet wären. Wir haben nur gehört, dass es ein Wrack gegeben hat. Also haben die Leute in der Gegend Ausschau gehalten. Aber niemand hat was gesehen, noch nicht mal irgendwelchen Kleinkram.«
Linnet warf Logan einen Blick zu.
»Immerhin, den Versuch war es wert.« Dann sah sie wieder zu Bertha. »Wenn wir schon mal hier sind, bring uns doch bitte zwei Teller von deinem Fischtopf, Bertha. Und zwei Becher Cidre.«
Bertha knickste und stob in die Küche. Logan hatte begriffen, dass sie in der Taverne zu Mittag essen würden, schwang das Bein über die Bank und setzte sich zu Linnet.
Einer der alten Seeleute beugte sich zu Linnet vor:
»In Roquaine Bay wurde auch kein Plunder angeschwemmt? Nichts?«
Sie schüttelte den Kopf.
»Meine Männer haben die Stelle überprüft. Niemand hat was gefunden. «
»Dann sieht es so aus, als sei das Schiff draußen vor der Bucht an dem Riff zerschellt. Nordwestlich der Spitze. Bedenkt man die Richtung, aus der der Sturm zuletzt geblasen hat, muss das Schiff unsere Küsten vollständig verfehlt haben, wenn es nicht in die westliche Bucht gespült worden ist.« Der Matrose schaute Logan an. »Wenn es sich tatsächlich so verhält, dann gibt es nichts, was Ihnen helfen könnte, das Gedächtnis wiederzuerlangen. Nirgendwo auf der Insel.«
Die Männer mit den verwitterten Gesichtern nickten.
Bertha erschien mit zwei randvollen und dampfenden Tellern, die sie mit einer Verbeugung vor Linnet und Logan abstellte.
»Bitte schön! Das wärmt Sie erst mal auf, bevor Sie sich wieder auf den Weg machen. Es kommt Wind auf. Den Apfelwein bringe ich Ihnen sofort. «
Das Gespräch wandte sich dem Dauerthema der Seeleute zu, dem Fang, der an diesem Tag vermutlich ins Netz gehen würde. Logan kümmerte sich um den überraschend wohlschmeckenden Fischtopf und lauschte der plätschernden Unterhaltung.
Auch Logan war zum Aufbruch bereit, als Linnet sich erhob und sich von ihrer Gesellschaft verabschiedete. In seiner Tasche suchte er nach einer Geldbörse, als es ihm wieder einfiel.
Linnet winkte Bertha zu und bat darum, den Betrag auf die Tafel
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