Eine Stuermische Nacht
sehr gut, dass Kapitän Jeb mich rechtzeitig gefunden hat, sodass ich der Hochzeit beiwohnen kann, oui? «
»Ja, ist es«, stimmte ihm Barnaby zu, »aber du hast uns noch nicht erzählt, wie du halb tot ins Freudenhaus gekommen bist.«
Luc setzte zu einem Achselzucken an, verzog jedoch das Gesicht und rieb sich seine rechte Schulter.
»Nach beinahe zwei Monaten im Gefängnis als Gast der französischen Polizei wusste ich, dass ich entkommen musste, oder ich würde dort sterben, entweder an Hunger, verschiedenen Krankheiten oder durch die Guillotine. Ich war verzweifelt, und als sich die Gelegenheit bot, mich an einem Gefängnisausbruch zu beteiligen, habe ich zugegriffen.« Seine Lippen verzogen sich.
»Leider wurde ich während des Ausbruchs angeschossen. Meine … Mitgefangenen ließen mich als tot zurück und zerstreuten sich in alle Richtungen. Ohne Geld, umgeben von Fremden und von der französischen Polizei gesucht, blieb mir nur eines übrig: die Küste zu erreichen und auf ein Schiff nach England zu gelangen. Im Schutz der Dunkelheit bin ich zu Fuß zur Küste aufgebrochen … und habe mir unterwegs gestohlen, was ich brauchte.« Er warf Barnaby einen Blick zu und lächelte sardonisch.
»Wenn ich auf der ganzen verfluchten Reise in irgendeiner Form Glück hatte, dann dass ich bei meiner Ankunft in Frankreich in Calais die Bekanntschaft derselben Frau gemacht habe, die Jeb kannte – Marie Dupré. Ich habe gehofft, es bis zu ihr zu schaffen und dass sie mir helfen würde.« Ein angewiderter Ausdruck glitt über seine Züge.
»Alles wäre in bester Ordnung gewesen, wenn diese verdammte Wunde sich nicht entzündet hätte. Aber das tat sie, und als ich schließlich in Calais und bei Marie angekommen bin, war ich so schwach und vom Fieber gebeutelt, dass ich kaum noch stehen konnte. Wenn sie mich nicht bei sich aufgenommen hätte …« Er lächelte schief.
»Wenn sie sich von mir abgewandt hätte, hätte die ganze Geschichte ein anderes Ende genommen.«
Mit belegter Stimme sagte Barnaby:
»Ich habe dich gewarnt, dass es ein witzloses Unterfangen war. Himmel! Du hättest sterben können, Luc!«
Emily, die neben Barnaby saß, legte ihre Hand auf seine auf dem Tisch und drückte sie sachte; ihr Herz schmerzte vor Mitleid mit ihm. Er drehte die Hand um und fasste ihre fester, und in diesem seltsamen Augenblick verschwanden mit einem Mal alle Zweifel an ihrer bevorstehenden Hochzeit. Wir gehören zusammen , gestand sie sich ein und schwankte innerlich unter der Wucht der Erkenntnis. Ihr Blick senkte sich auf ihre verschränkten Hände. So wie unsere Hände miteinander verschlungen sind, so sind auch unser beider Leben unauflösbar miteinander verwoben . Gemeinsam waren sie stärker, vervollständigt – und sie begriff auch, warum: Sie liebte ihn. Verblüfft über diese Entdeckung wirbelten ihre Gedanken durcheinander, und sie schloss die Finger fester um Barnabys.
Seine Finger hielten Emilys, als wollte er sie niemals wieder loslassen; als Lucien schwieg, verlangte Barnaby:
»Sprich weiter. Erzähl es zu Ende.«
Lucien nahm ein Brotstück und drehte es hin und her, dann sagte er müde:
»Als ich zuerst in Frankreich eingetroffen bin, bin ich ein paar Tage in Calais geblieben. Eines Nachts bin ich dann auch in Maries Etablissement gewesen. In dieser Nacht hat es Ärger bei ihr gegeben …« Seine Miene verhärtete sich, und er fuhr ausdruckslos fort:
»Ich habe die Sache geregelt – sehr zu Maries Erleichterung und Dankbarkeit. Sie hat geschworen, dass sie in meiner Schuld stünde, und dass ich, falls ich einmal Hilfe brauchte, zu ihr kommen sollte.« Er zuckte die Achseln.
»Und als ich dann ein paar Monate später halb tot auf ihrer Türschwelle aufgetaucht bin, hat sie mich aufgenommen.«
Barnaby schaute zu Jeb.
»Es scheint, dass ich noch tiefer in Ihrer Schuld stehe, als mir klar war. Danke, dass Sie ihm das Leben gerettet und ihn sicher nach England gebracht haben.«
Jeb winkte ab.
»Miss Emily ist diejenige, der Sie danken müssen. Wenn sie ihn mir gegenüber nicht erwähnt hätte, wären wir aus Calais abgefahren, ohne auch nur auf die Idee zu kommen, nach Mr Lucien zu suchen.«
Die Augen auf Emily gerichtet sagte Luc:
»Es scheint, reizende zukünftige Schwägerin, dass ich Ihnen Dank schulde. Sie haben mir das Leben gerettet – es gehört Ihnen! Bestimmen Sie darüber.«
»Dann bestimme ich, um Ihres Bruders willen, dass Sie wieder ganz gesund werden und dann bitte versuchen, ihm
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