Eine Stuermische Nacht
ihm ein Gedanke kam.
»Es würde mich nicht sonderlich überraschen, wenn er schon eines ausgesucht hat. Er ist nicht dumm – er hat alles gründlich durchdacht.«
Niedergeschlagen musste Emily zugeben, dass Barnaby recht hatte. Verdammt! Simon und Nolles musste das Handwerk gelegt werden, ein für alle Mal.
Es fiel ihr schwer, Simon an diesem Abend mit der gewohnten Freundlichkeit und Ungezwungenheit zu begegnen. Sie lächelte und lachte an den passenden Stellen, aber sie war nicht mit dem Herzen dabei. Cornelia hingegen war in Hochform, sie schäkerte auf Teufel komm raus mit beiden Herren; Barnaby schien es keine Schwierigkeiten zu bereiten, sich unbeschwert mit dem Mann zu unterhalten, von dem er wusste, dass er drei Mal versucht hatte, ihn umzubringen, und es vermutlich noch ein viertes Mal versuchen würde. Emily war dankbar, dass sie ihr die Last der Konversation abnahmen, weil sie sich kaum dazu überwinden konnte, mit Simon zu reden. Während die Unterhaltung um sie herum wogte, musterte Emily Simon verstohlen. Sie fragte sich, wie er so abscheulich sein konnte, und wie sie ihn nur so falsch hatte einschätzen können. Wie konnte er Barnabys Gastfreundschaft in Anspruch nehmen und sich verhalten, als genösse er seine Gesellschaft, während er die ganze Zeit plante, ihn zu töten? Ihre Lippen wurden schmal, Wut wallte in ihr auf. Er hatte ein tiefschwarzes Herz, das stand fest; sie starrte ihn über den Rand ihres Weinglases hinweg an. Am liebsten hätte sie ihm irgendetwas in die Brust gerammt.
Simon fing ihren Blick auf, und sie bekam Angst. Sie sandte ein Stoßgebet zum Himmel, dass er ihren Zorn nicht bemerkt hatte, zwang sich zu einem Lächeln und schaute dann fort. Danach ertappte sie Simon zu ihrem Unbehagen mehrere Male dabei, wie er sie mit verwirrter Miene betrachtete. Sie war wohl nicht sonderlich gut im Verstellen.
Emily hatte schließlich den langen Abend überstanden und war dankbar, als Cornelia den Herren eine gute Nacht wünschte. Da sie wusste, Simon wäre nie so dumm, Barnaby etwas in seinem eigenen Haus anzutun, und zudem Lamb ja immer in der Nähe war, begleitete Emily ihre Großtante und überließ Barnaby und Simon sich selbst.
Als sie mit ihr die Treppe hochstieg, schaute Cornelia sie von der Seite an und verlangte:
»Und jetzt erzähl mir, was Simon getan hat, dass er bei dir derart in Ungnade gefallen ist.«
Emilys Schritt stockte, aber sie erholte sich rasch wieder und blickte Cornelia unschuldig an.
»Simon? In Ungnade gefallen? Was meinst du?«
Cornelias Augen wurden schmal.
»Du warst noch nie eine gute Lügnerin, und du bist mit der Zeit darin nicht besser geworden.«
Sie seufzte. Cornelia hatte natürlich recht: Sie war nicht gut im Lügen – und es bestand auch gar keine Notwendigkeit, ihre Tante anzulügen. Sie und Barnaby hatten nicht vorgehabt, es vor Cornelia geheim zu halten – es hatte nur keine Gelegenheit gegeben, es ihr zu sagen. Als sie oben angekommen waren, bemerkte sie:
»Es ist noch nicht spät. Soll ich mich noch zu dir setzen, damit wir uns unterhalten können?«
Cornelia starrte sie einen Moment lang an.
»Ja«, erwiderte sie, »das würde mir gefallen.«
Als sie Cornelias Zimmer erreichten, sagte sie, sobald sich die Tür hinter ihnen geschlossen hatte:
»Gut. Und jetzt erzähl mir, was hier vor sich geht.«
Emily tat das, sie verschwieg nichts.
Als sie schließlich zu reden aufhörte, schnaubte Cornelia ungläubig.
»Du liegst gründlich daneben, wenn du denkst, dass Simon Joslyn ein Schmuggler ist und Barnaby umbringen will. Dazu ist der Junge doch gar nicht in der Lage – und du solltest das eigentlich wissen. Ich tippe auf Nolles. Er hat gute Gründe, Barnaby loszuwerden.« Sie zog die Brauen hoch.
»Schließlich ist er der Schmuggler. Warum braucht er jemanden, der für ihn die Dreckarbeit erledigt?«
Emily starrte sie mit offenem Mund an. War es möglich, dass Nolles allein hinter allem steckte? Es wäre denkbar. Dann fiel ihr wieder der Londoner Hintermann ein, und sie schloss den Mund. Sie schüttelte den Kopf und sagte:
»Du vergisst, dass da noch jemand drinsteckt – derjenige, der alles aus dem Hintergrund stützt. Und das ist ganz sicher nicht Nolles.«
»Da hast du natürlich recht«, erwiderte Cornelia nachdenklich. Unglücklich sah sie Emily an.
»Ich kann nur einfach nicht glauben, dass Simon sich mit Schmugglern einlässt und in Mord verstrickt ist.« Sie verzog verächtlich die Lippen.
»Wenn du Jefferys Namen
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