Eine Stuermische Nacht
sagte:
»Mylord.«
»Ah, guten Morgen. Tilden, nicht wahr?«
Ein erfreuter Ausdruck trat in die ruhigen grauen Augen des jungen Mannes.
»Ja, Mylord. Es freut mich zu sehen, dass Sie sich von Ihrer Unpässlichkeit erholt haben.«
»Nicht mehr als ich«, erklärte Barnaby. Er blickte sich um. Vom Foyer gingen Türen in alle Richtungen ab; mit einem Lächeln erkundigte er sich bei Tilden:
»Nun denn, wenn ich Frühstück möchte, wo finde ich es?«
Tilden lachte und sagte:
»Wenn Sie gestatten, Mylord, zeige ich Ihnen das Frühstückszimmer. Und wenn Sie dann gegessen haben, könnte ich Ihnen eine Führung durch das Haus geben, wenn Sie möchten.«
»Ausgezeichnet.«
Das Frühstückszimmer mit dem leicht verblichenen grün-cremefarbenen Teppich und den Stühlen mit dem Überzug aus blau- und elfenbeingemustertem Chintz war überraschend anheimelnd. Barnaby begann sich zum ersten Mal, seit er Windmere erblickt hatte, ein wenig zu entspannen. Blasses Sonnenlicht drang durch die schmalen Fenster ins Zimmer, und nachdem er an dem ovalen Eichentisch ein Frühstück aus gedünsteten Früchten, gebratenem Schinken, Rührei, Toast und Marmelade zu sich genommen hatte, war Barnaby bereit für Tildens Führung.
Während der folgenden Tage wurden Barnaby von Tilden, Peckham und der Haushälterin Mrs Bartlett die zahllosen Räume des Hauses gezeigt, ehe er an den Obergärtner Hervey weitergereicht wurde, an dessen Seite er die weitläufigen, gepflegten Gartenanlagen durchwanderte und sich dann noch das Gewächshaus und den riesigen Küchengarten auf der Rückseite des Hauses anschaute. Er traf den Oberstallmeister, den Gutsverwalter, den Kutscher und den Oberschäfer, beobachtete alles ganz genau und hörte aufmerksam zu, während jeder von ihnen ihm erklärte, wie der große Besitz funktionierte. In der Nacht, wenn er sich zurückzog, drehte sich ihm der Kopf von all den Dingen, die er gelernt hatte, aber mit jeder Stunde, die verging, fühlte sich der Mantel der Verantwortung zwar schwer an, aber sein Gewicht wurde auch allmählich vertrauter.
An einem Mittwochnachmittag, zwei Wochen nach dem Tag, an dem Barnaby das erste Mal Windmere betreten hatte, tauchte Sam, der Sohn des Schmieds aus Broadhaven, an der Küchentür auf und teilte einem erstaunten Peckham mit, er habe eine Nachricht von Mrs Gilbert für Seine Lordschaft. Zögernd meldete der Butler seinem Herrn, der sich mit Tilden – im Übrigen auch ein ausgezeichneter Sekretär – in der Bibliothek aufhielt und Papiere durchsah, Sams Ankunft.
Barnaby warf die Liste mit Zahlungsein- und -abgängen auf den Tisch, stand auf und schockierte Peckham, indem er verlangte: »Bringen Sie mich zu ihm.«
Peckham räusperte sich ein wenig.
»Ich denke, Mylord, dass es besser wäre, wenn ich den jungen Mann zu Ihnen brächte.«
»Unsinn«, erwiderte Barnaby. Er schaute sich in dem eleganten Zimmer um.
»Glauben Sie mir, Sam wird sich in der Küche viel wohler fühlen.«
Die Köchin geriet in höchste Verlegenheit, als Seine Lordschaft in ihre geschäftige Küche schlenderte. Aber Barnaby beschwichtigte sie mit einem freundlichen Lächeln.
»Mrs Eason, wenn ich mich nicht irre?«, fragte er und fuhr, als sie nickte, fort:
»Ich erinnere mich noch von meinem ersten Tag hier an Sie.« Und sie war ihm auf immer ergeben, als er hinzufügte:
»Darf ich Ihnen ein Kompliment über Ihre gedünsteten Lachssteaks und die Hühnchen mit Maronen aussprechen, die mir gestern Abend zum Dinner serviert wurden? Mir hat das gesamte Mahl ausgezeichnet gemundet, aber der Lachs und das Hühnchen waren wirklich ausnehmend köstlich.«
Mrs Eason, eine kleine vollbusige Frau, so rund wie eine dicke Taube, und mit braunen Locken, die vorwitzig unter ihrer weißen Haube hervorlugten, machte einen artigen Knicks.
»Danke, Mylord«, murmelte sie mit vor Freude geröteten Wangen.
Sam saß an dem geschrubbten schweren Eichentisch, einen kleinen Teller mit Zimtkeksen frisch aus dem Ofen und ein großes Glas Milch vor sich. Er spürte Barnabys Blick auf sich und schluckte hastig den Keks herunter, den er kaute, wischte sich mit dem Ärmel die Krümel vom Mund und sprang auf. Er strich sich eine dunkle Haarsträhne aus der Stirn und richtete seine ebenso dunklen Augen auf Barnabys Gesicht.
»Mylord«, begann er, »Mrs Gilbert äußert den dringenden Wunsch, dass Sie sie im Gasthof besuchen. Sie sagt, es würde« – er runzelte die Stirn und versuchte sich an den genauen Wortlaut seiner
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