Eine Stuermische Nacht
vor über zwei Wochen London verlassen hatte, stand darin und schaute ihn an.
Kapitel 5
Das Geräusch von näher kommenden Frauenstimmen kündete von Mrs Gilberts Rückkehr. Ihr graues Haar war zu einem ordentlichen Knoten im Nacken frisiert, nur ein paar Löckchen hatten sich daraus gelöst und umrahmten ihr Gesicht, als sie in den Stall geeilt kam.
»Ich muss mich entschuldigen, Mylord, dass ich nicht hier war, als Sie eintrafen«, erklärte sie atemlos, als sie bei ihm ankam.
»Ich dachte, ich wäre eher zurück.«
Flora begleitete ihre Mutter.
»Guten Nachmittag, Mylord«, grüßte sie ihn mit einem Lächeln, bei dem ihr Grübchen erschien, und einem Knicks.
»Ma war nicht sicher, ob Sie überhaupt kommen.«
Mit einem heiteren Lächeln seinerseits erwiderte Barnaby:
»Einer Einladung Ihrer Mutter nicht Folge leisten? Nach all der Freundlichkeit, die mir erwiesen wurde, was für ein Hasenherz wäre ich dann?« An Mrs Gilbert gewandt fügte er hinzu:
»Ich bin erst seit ein paar Minuten hier, und Caleb hat sich meiner vorbildlich angenommen.«
Den Blick auf den Wallach gerichtet fragte Mrs Gilbert:
»Ist das Ihr Pferd Blazer Boy? Faith schwört, das sei es.«
Barnaby nickte.
»Ja, das ist allerdings Blazer. Er war vor mein Gig gespannt, als ich London verlassen habe.« Er runzelte die Stirn:
»Woher kennt sie ihn? Und wo haben Sie ihn gefunden?«
»Faith liebt schon ihr ganzes Leben lang Pferde und bemerkt mehr als andere – besonders so edle Tiere wie Blazer fallen ihr auf und prägen sich ihr ein. Blazer war das Pferd, das der alte Viscount am liebsten zum Kutschieren genommen hat; er und das Karriol waren überall hier in der Gegend bekannt. Ihr Großonkel stellte ihn hier unter, wann immer er ins Dorf kam, daher kennt Faith Blazer sehr gut.« Sie lächelte.
»Blazer hat sie immer besonders gemocht. Und was den Punkt angeht, wo sie ihn gefunden hat …« Ihr Lächeln verschwand.
»Sie und Molly waren auf dem Rückweg aus Eastbourne und kamen an einem Pferdehändler vorbei, der sechs oder sieben Pferde bei sich hatte. Faith hat Blazer sogleich erkannt – seine Blesse ist unverwechselbar. Als sie den Mann anhielt und von ihm wissen wollte, was er mit Viscount Joslyns Pferd vorhabe, spielte der Kerl den Ahnungslosen. Sagte, er habe ihn herrenlos an der Küste gefunden, ein paar Tage von hier.« Mrs Gilberts Mund wurde schmal.
»Ich kenne Pferdehändler, und angesichts der Hast, mit der er ihr ohne Einspruch Blazer übergeben hat – und ohne irgendetwas dafür zu verlangen –, gehe ich davon aus, dass mehr dahintersteckt, aber Faith und Molly waren allein, und sie wollten ihn nicht zu eindringlich befragen. Faith war einfach froh, Blazer in die Hände zu bekommen.«
»Wie es aussieht, wächst das, was ich Ihrer Familie schulde, stündlich«, antwortete Barnaby.
Mrs Gilbert schnaubte.
»Solange Sie Ihre Zunge hüten in Bezug auf bestimmte Sachen, die Sie vielleicht neulich mitbekommen haben, schulden Sie uns gar nichts.«
»Was für Sachen?«, fragte Barnaby mit Unschuldsblick.
Mrs Gilbert schmunzelte.
»Ich sehe, wir verstehen einander. Jetzt kommen Sie bitte mit. Ich bin sicher, Sie möchten Faith selbst zu dem Pferdehändler befragen.«
»Es tut mir leid, Mylord«, sagte Faith kurz darauf zu Barnaby, als er sie bat, ihm den Pferdehändler zu beschreiben.
»Ich habe ihm weiter keine Beachtung geschenkt.« Eine leichte Röte stieg ihr in die Wangen.
»Mein ganzes Interesse galt allein Blazer, und ich habe mir mehr Sorgen darüber gemacht, wie ich ihn bekommen kann, als wegen des Pferdehändlers selbst.«
»Außer, dass er ein Fremder war, gibt es nichts, was Sie mir über ihn verraten können?«
»Ich denke, es war ein älterer Mann«, erwiderte sie darauf in dem Versuch, ihm behilflich zu sein. In ihren hübschen blauen Augen stand ein betrübter Ausdruck, als sie hinzufügte:
»Es tut mir leid.«
Molly, die mit Faith zusammen in Eastbourne gewesen war, hatte zu der Beschreibung ihrer Schwester wenig hinzuzufügen. Barnaby untersuchte Blazer rasch, aber außer, dass er Gewicht verloren hatte und einen kleinen Schnitt an einer Schulter aufwies, schien er in guter Verfassung zu sein. Er ließ das Tier vorübergehend im Stall und ging mit Mrs Gilbert und Flora ins Haus. Mrs Gilbert und ihre lebhaften Töchter waren immer eine angenehme Gesellschaft, und später erhielt er sicher noch die Gelegenheit, ein paar Dorfbewohner kennenzulernen.
Die Gaststube füllte sich dann auch
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