Eine Stuermische Nacht
entfernte er den Stoff und schaute sich die Wunde erneut an. Es sickerte immer noch Blut heraus, aber er war mit dem Ergebnis soweit zufrieden und warf das blutgetränkte Tuch ins Feuer.
»Das wird reichen, bis ich es nähen kann.«
»Soll ich dir jetzt danken oder dich verfluchen?«, erkundigte sich Barnaby, dessen Wunde nach dieser Behandlung wieder heftiger pochte.
Sie hörten beide gleichzeitig, dass der Butler den Salon betrat, und John zischte Barnaby zu:
»Vergiss nicht, bleib da sitzen und schau gelangweilt aus.«
Peckham, ein kleiner Mann mittleren Alters mit lichter werdendem blondem Haar und klug blickenden blauen Augen kam ins Schlafzimmer. In den Händen trug er ein gewaltiges Tablett mit einer Silberhaube; er stellte seine Last auf dem geschnitzten Mahagoni-Tisch hinterm Sofa ab.
»Soll ich Ihnen gleich servieren, Mylord, oder möchten Sie noch ein wenig warten?«, fragte der Butler.
»Oh, äh, ich warte. Danke, Peckham.« Barnaby winkte zur Tür:
»Sie können dann jetzt gehen.«
Lamb begleitete Peckham aus dem Zimmer, und als sie nebeneinander den Salon durchquerten, erklärte er halblaut:
»Seine Lordschaft fühlt sich nicht wohl – wir glauben, es ist etwas, was er unterwegs gegessen hat.«
Peckham blickte ihn an.
»Aber nichts Ernstes, hoffe ich.«
»Oh nein. Ich denke, in ein paar Tagen ist er wieder ganz der Alte und kann es kaum erwarten, das Haus und die Ländereien zu besichtigen«, erwiderte Lamb unbekümmert.
»Aber es wäre ihm lieber, wenn er eine Weile keinen Besuch hat.«
»Ich werde mich darum kümmern, dass er nicht gestört wird«, erwiderte Peckham und verließ den Salon. Lamb holte tief Luft und kehrte ins Schlafzimmer zurück. Jetzt musste er Barnaby verarzten, seine Wunde nähen und ihn ins Bett stecken – und das würde er tun, selbst wenn er Gewalt anwenden musste.
Eine Stunde später sann Barnaby über verschiedene Foltermethoden nach, die er an seinem »Diener« erproben könnte, aber sein Kopf war sauber vernäht, und er trug – trotz erbitterten Protests – eines seiner eigenen Nachthemden, die er nur sehr selten verwendete, und thronte in dem riesigen Bett mit den Samtvorhängen, das in der Mitte des Raumes auf einem kleinen Podest stand. Grüblerisch verfolgte er, wie Lamb ihm Kaffee einschenkte – lauwarm, nachdem er so lange gestanden hatte – und ihm eine Scheibe geräucherten Landschinken, Brot und mehrere Stücke sattgelben Käse auftat. Dann fügte er noch Butter, Senf und eingelegte Gurken hinzu, gefolgt von einem Apfel, und brachte alles ans Bett.
»Iss die Hälfte davon, dann lasse ich dich ein paar Stunden in Ruhe«, versprach Lamb und setzte sich auf die Bettkante.
Barnaby musterte ihn unheilvoll.
»Ich bin kein Invalide, weißt du?«
»Und ich werde dafür sorgen, dass du keiner wirst.«
Es war sinnlos, mit Lamb zu streiten, wenn der sich ihm gegenüber wie eine Glucke benahm, und außerdem, gestand sich Barnaby ein, fühlte er sich wirklich nicht so gut, sodass er tat wie ihm geheißen. Zu seiner eigenen Überraschung und Lambs Befriedigung stellte er fest, dass sein Appetit nicht im Geringsten gelitten hatte, und aß den Teller leer.
Er lehnte sich in die Kissen und beobachtete, wie Lamb die Reste seiner Mahlzeit wegräumte.
Barnaby unterdrückte ein Gähnen und gestand zögernd:
»Weißt du, ein paar Stunden Schlaf wären vielleicht gar nicht so verkehrt.«
Lamb lächelte und nahm das Tablett, dann schickte er sich zum Gehen an. Als er an der Tür zum Salon war, blickte er zu Barnaby zurück und erklärte barsch:
»Ruh dich aus.«
»Das habe ich vor«, erwiderte Barnaby. Als John sich umdrehte, fügte er leiser hinzu:
»Danke.«
Mit einem Grinsen nickte Lamb, verschwand durch die Tür und ließ ihn allein.
Lamb gelang es, ihn an seinem ersten Tag auf Windmere im Bett zu halten, aber am Donnerstag schenkte Barnaby seinen wütenden Protesten kein Gehör und stand auf, nahm ein Bad und kleidete sich wie sonst an. Er ließ Lamb beleidigt im Ankleidezimmer zurück, trat auf den Flur und stieg die geschwungene Treppe in die mit schwarzem und weißem Marmor geflieste Eingangshalle hinab. Ein junger Mann, der ihm, soweit er sich erinnerte, als sein Hausverwalter Tilden vorgestellt worden war, stand vor einem lackierten Schrank und sah mit leicht gerunzelter Stirn mehrere Umschläge durch. Als er Barnabys Schritte auf der Treppe hörte, schaute er auf.
Ein Lächeln ersetzte das Stirnrunzeln, er verbeugte sich und
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