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Eine Stuermische Nacht

Eine Stuermische Nacht

Titel: Eine Stuermische Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
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waren offensichtlich entzückt, dass sie nun endlich den neuen Herrn kennenlernen; andere behalten sich ihr Urteil vor. Niemand war unhöflich oder grob.«
    »Und Windmere selbst? Wie ist dein Eindruck?«
    Langsam breitete sich ein Lächeln auf Johns Zügen aus. »Das, denke ich, solltest du dir selbst ansehen.«
    Barnabys erster Blick auf Windmere raubte ihm den Atem. Halb Burg, halb Herrenhaus war es ein riesiges und einfach unbeschreiblich beeindruckendes Bauwerk. Es thronte auf einer Anhöhe, unter der sich weit unten der Fluss Cuckmere schlängelte, auf zwei Seiten der ursprünglichen Burg erhoben sich gemauerte Türme in den trüb grauen Himmel. Ein Wäldchen aus Birken, Silberweiden, Eichen und Buchen, von einem Joslyn vor mehr als zweihundert Jahren angepflanzt, erstreckte sich um das massive Gebäude aus Stein, Holz und Ziegeln. Große Platten aus Horsham-Stein bedeckten die Dachflächen; die zahllosen Sprossenfenster schimmerten, und mehrere Ziegelkamine reckten sich himmelwärts.
    Barnaby starrte die Anlage wie ein Hinterwäldler an, der auf einem Markttag zum ersten Mal ein zweiköpfiges Schwein sah. Er war immer stolz auf sein weitläufiges stattliches Herrenhaus in Virginia gewesen, mit den hohen Fenstern, der umlaufenden Veranda und der anmutigen Linienführung. Das dreistöckige Haus auf Green Hill galt gemeinhin als eines der größten und elegantesten Häuser der Umgebung, aber dies ! Barnaby schluckte. Gütiger Himmel! Er würde wetten, dass Green Hill und drei oder vier Häuser seiner Klasse mühelos in Windmere verschwinden könnten, als hätte es sie nie gegeben.
    Lamb schmunzelte und sagte neckend:
    »Und man stelle sich nur vor, ein schlichter Pflanzer aus Virginia ist nun Herr von alldem hier.«
    »Himmel! Kein Wunder, dass du mir nichts darüber erzählen wolltest«, erwiderte Barnaby, in dessen Stimme ein Anflug von Ehrfurcht mitschwang. Er schüttelte verwundert den Kopf.
    »Ich hätte nie mit so etwas hier gerechnet. Es ist so prächtig – einfach großartig. Allerdings werde ich einen Führer benötigen, der mir hilft, den Weg von meinen Räumen zum Speisezimmer zu finden.«
    »Den wirst du haben, keine Sorge – ich schätze, die Zahl der Dienstboten liegt etwa bei dreißig.« Lamb grinste.
    »Und da sind deine Stallburschen, Schäfer und dein Verwalter noch gar nicht mitgezählt, und auch …«
    »Hör auf! Mir dreht sich der Kopf auch so schon.« Er sah Lamb mit einem Mitleid heischenden Blick an.
    »Du vergisst die Nacht, die hinter mir liegt, und den Umstand, dass ich verwundet bin. Denk bitte an meinen armen Kopf.«
    Lamb brach in schallendes Gelächter aus.
    »Dein Kopf ist viel zu hart, als dass dich eine so kleine Beule wie die von letzter Nacht ernsthaft behindert.« Sein Lachen verstummte, und er fuhr leiser fort:
    »Ob du es nun magst oder nicht, es ist dein Schicksal … es sei denn, du hast vor, wie ein Feigling nach Virginia zurückzulaufen.«
    Barnaby bedachte ihn mit einem Blick, in dem beinahe so etwas wie Abneigung stand.
    »Das musstest du jetzt noch sagen, was?«
    »Ich habe nur auf den passenden Augenblick gewartet.«
    Als Barnaby vor dem dreistöckigen Säulenvorbau in der Mitte des Hauptgebäudes absaß, erstaunte ihn der Aufruhr, den seine Ankunft auslöste. Die beiden aus Eichenholz gearbeiteten Türflügel des Eingangsportals, im Alter nachgedunkelt, schwangen auf, sobald sein Fuß den mit Ziegelsteinen gepflasterten Boden berührte. Ein halbes Dutzend Dienstboten, einige davon in dunkelgrüner Livree, strömten heraus, um ihn zu begrüßen. Wie ein Herrscher zu Besuch wurde er durch die Tür komplimentiert; als er das Innere des Hauses betrat, fiel sein verwunderter Blick auf die Menschenmenge, die sich in der Eingangshalle versammelt hatte. Sie knicksten und verneigten sich, alle von ihnen erweckten den Anschein, ihn unbedingt kennenlernen zu wollen. Oder den Amerikaner zu Gesicht zu bekommen, überlegte er nüchtern.
    Vom Hausverwalter bis zur kleinsten, schüchternsten Spülmagd waren alle gekommen und traten nun einer nach dem anderen vor, um dem neuen Hausherrn vorgestellt zu werden. Barnaby konnte sich all die Namen und Gesichter unmöglich merken. Er war als Sohn eines reichen aristokratischen Plantagenbesitzers aus Virginia aufgewachsen und daher an Dienstboten und eine elegante Umgebung gewöhnt, aber die schiere Menge Bediensteter verwunderte ihn. Brauchte er wirklich sechs Spülmägde?
    Nachdem die Vorstellung vorüber war, bestellte Lamb beim

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