Eine Stuermische Nacht
Regen lag in der Luft, und die Dämmerung war nicht mehr fern. Da ihm die Vorstellung wenig zusagte, im Dunkeln und bei Regen den Weg nach Windmere zu suchen, trieb Barnaby seinen Hengst zu einem schnellen Trab an, und auch Blazer erhöhte gehorsam sein Tempo.
Nicht mehr als eine Meile später fielen die ersten Regentropfen. Binnen Minuten waren Barnaby und die Pferde tropfnass, und ein unangenehmer Wind blies ihnen entgegen und sorgte dafür, dass sie noch stärker unter den Unbilden der Witterung litten. Barnaby verfluchte sich im Stillen dafür, dass er nicht besser auf die Zeit und das Wetter geachtet hatte, und trieb sein Pferd weiter an; wieder passte sich auch Blazer an. Es war ein selten unangenehmer kalter und nasser Ritt.
Barnaby war erleichtert und erfreut, als er eine Reihe kräftiger Buchen wiedererkannte und ihm klar wurde, dass er nur noch etwa eine Meile von Windmere entfernt war. Um die nächste Wegkehre lag der Eingang zu Windmere , und wenn er die halbe Meile, die es dann noch war, auf der Auffahrt zum Eingang zurückgelegt hatte, erwarteten ihn die Wärme und der Schutz des großen Herrenhauses. In Gedanken ganz bei seinem Ziel, nahm er die Kurve auf der breiten Straße in vollem Galopp. Ohne Vorwarnung blieb sein Pferd jäh stehen und bäumte sich furchtsam auf, dabei hätte es ihn beinahe aus dem Sattel geworfen. Blazer, der dicht hinter ihm war, scheute und kam schnaubend und schlitternd am Straßenrand neben Barnabys Hengst zum Stehen.
Sein Pferd unter Kontrolle zu bringen war nicht ganz leicht, aber schließlich gelang es ihm. Er fasste Blazers Zügel fester und suchte nach dem, was sein Pferd so erschreckt hatte, dass es sich aufgebäumt hatte. Durch den strömenden Regen entdeckte er schließlich auf der anderen Straßenseite einen kleinen schwarzen Einspänner, der schief im Graben lehnte. Die Frau auf dem Kutschbock, die sich ganz darauf konzentrierte, ihr Pferd dazu zu bringen, sich zu bewegen, hatte weder Barnaby noch seine Pferde bemerkt.
Als er langsam mit seinen Pferden am Zügel näher zu dem Gefährt ritt, ermunterte die Lenkerin es sanft, vorwärtszugehen, und das kleine Tier gab sich größte Mühe und stemmte sich in das Brustgeschirr, aber außer einem leichten Schaukeln rührte sich der Wagen nicht.
»Es nützt nichts, Emily«, rief die Frau, »ich fürchte, sie ist lahm.«
Von hinter dem Gefährt antwortete eine Frauenstimme:
»Verflixt! Ich kann das Rad nicht alleine frei bekommen. Es steckt zu tief im Schlamm. Hölle und Verdammnis!«
»Oh, Emily, du weißt doch, dass du nicht so fluchen sollst«, schalt die Frau vorn.
»Was, wenn dich jemand hört?«
»Verfluchte Hölle! Ich wünschte, es wäre jemand hier, der es hört«, antwortete Emily bitter, »dann hätten wir wenigstens Hilfe.«
Barnabys Lippen zuckten. Der Name und ihre Stimme verrieten die verborgene Sprecherin. Emily Townsend. Plötzlich störte es ihn gar nicht mehr, dass er nass bis auf die Haut war und fror. Und er hatte es auch nicht länger eilig, nach Hause zu kommen.
Nichts von Barnabys Anwesenheit ahnend, sagte Emily mit Nachdruck:
»Ich werde diesen erbärmlichen Kelsey erwürgen, wenn er mir je wieder unter die Augen kommt – er hat uns absichtlich von der Straße in den Graben gedrängt. Und wenn er Sunny dabei ernstlich Schaden zugefügt hat, schneide ich ihm die Leber aus dem Leib.«
Barnaby war beinahe am Wagen angekommen und rief leise, um die Lenkerin nicht zu erschrecken:
»Hallo, ich bin Lord Joslyn von Windmere . Kann ich Ihnen behilflich sein?«
Der Regen und die tiefen Schatten des Verdecks des Wagens erlaubten es ihm nicht, viel zu sehen, aber als die Frau in seine Richtung schaute, hatte er den Eindruck von großen dunklen Augen in einem hübschen Gesicht.
»Oh!«, rief die Besitzerin dieses Gesichts, »ich habe Sie gar nicht bemerkt. Emily, komm rasch. Hier ist jemand.«
Hinter dem Einspänner kam eine hochgewachsene weibliche Gestalt hervor und kletterte behände aus dem Graben auf die Straße, dann ging sie zu ihm. Die Kapuze ihres schlammbespritzten Umhanges verbarg ihre Züge, aber Barnaby war sich sicher, dass er, auch ohne ihren Namen zuvor gehört zu haben, die herausfordernde Haltung von Kopf und Schultern und den trotzigen Gang dieses Jungen, der kein Junge war, wiedererkannt hätte.
Emily blieb vor seinem Pferd stehen und erkannte den großen Mann sofort. Das Schicksal musste sie hassen. Lord Joslyn. Wie verflixt wunderbar. Sie hatte gewusst, dass sie einander
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