Eine Stuermische Nacht
es Sie wissen lassen? Ich kann Sam ja schlecht mit einer Nachricht für Sie in die Küche auf Windmere schicken.«
Emily dachte kurz nach. Seine Sorge war berechtigt. Schmuggel war ein unsicheres Geschäft, und außer der Kenntnis der Gezeiten gab es kaum etwas, das half, Jebs Rückkehr vorherzusagen – und wann Ladung gelöscht werden musste. Die einzige Konstante war, dass die Schmuggelware aus Frankreich in mondlosen Nächten an Land geholt werden musste, oder – um den Zollfahndern nicht zu begegnen – mitten in einem Unwetter, sofern sich das einrichten ließ. Solange er auf See war, verwendete Jeb eine Laterne, um Mr Meek seine Ankunft zu signalisieren, dessen kleines Haus auf den Kalkklippen hoch oben über der tosenden Brandung stand. Wenn Mr Meek von Jebs bevorstehendem Eintreffen unterrichtet war und er Jeb das Gegensignal gegeben hatte, machte er sich auf den Weg in die Krone und zu Mrs Gilbert. Die leitete die Nachricht an die Mannschaft weiter, die beim Ausladen und dem Transport nach London half. Als Anführer war Emily stets dabei, um mit Hand anzulegen, wo es nötig war. Mit den treu ergebenen Dienern auf The Birches , die allesamt von dem Schmuggelunternehmen profitierten, war es für Sam leicht genug, ihr mitzuteilen, dass die Ankunft bevorstand. Aber auf Windmere …
Emily biss sich auf die Lippe. Wie sollte sie von Jebs Eintreffen erfahren, und wie – das war fast ebenso wichtig – mitten in der Nacht aus dem Haus schleichen und zum Dorf reiten?
»Kennst du irgendjemanden auf Windmere , dem wir trauen können?«, fragte sie Jeb mit weiterhin gesenkter Stimme.
Jeb zupfte an seinem Ohr.
»Mrs Spaldings Schwester Mrs Eason ist dort Köchin … ich denke, sie weiß, wie man den Mund hält, und sie würde uns sicher auch helfen.«
Emily gefiel es nicht, aber die Zeit war knapp, und sie musste eine Entscheidung fällen. Während sie dastanden und miteinander redeten, überkam sie ein ungutes Gefühl, und sie schaute sich um. Die nackten Zweige der Bäume am Wegesrand bewegten sich in einer leisen Brise, aber auch ohne Blätter, um die Sicht zu versperren, waren die Wälder voller Schatten und seltsamer dunkler Stellen. Sie konnte nichts Beunruhigendes entdecken, konnte aber dennoch das unbehagliche Gefühl nicht abschütteln, dass sie beobachtet wurden. Daher begann sie wieder zu gehen, und als sie zu Jeb sprach, war ihre Stimme noch leiser als zuvor.
»Erkläre alles sogleich Mrs Gilbert und sag ihr, dass sie mit Mrs Spalding sprechen soll – gleich morgen. Wenn sie sich einig sind, dass Mrs Eason uns hilft, kann Mrs Spalding ihre Schwester besuchen und mit ihr alles regeln. Wenn Mrs Eason bereit ist, kann sie sich einen Weg ausdenken, mich zu benachrichtigen.«
»Und wenn wir ihr nicht vertrauen können?«, erkundigte sich Jeb, der mit ihr Schritt hielt.
»Dann werden wir uns etwas anderes einfallen lassen müssen«, räumte sie betrübt ein.
»Hoffentlich werde ich dann auch vor deiner Rückkehr einen Weg gefunden haben, wie ich unbemerkt das Haus verlassen kann.« Sie lächelte leicht.
»Und ein Pferd aus Lord Joslyns Ställen zu entwenden sollte auch nicht zu schwer sein. Ich bin sicher, es ist ihnen schon früher passiert, dass sich jemand ihre Tiere ›geliehen‹ hat.«
Sie gingen weiter und bogen um die letzte Kurve – vor ihnen tauchten die Ställe auf. Sie bemerkte die beiden gesattelten Pferde, die an dem langen Geländer vor dem Stall angebunden waren, und erkannte sie als Lambs und Lord Joslyns Tiere wieder. Mehrere Meter vor dem Gebäude blieb Emily stehen und fragte:
»Wenn du in Calais bist, sind dir da in letzter Zeit viele Leute aufgefallen, die versuchen, das Land zu verlassen?«
Wenn er über diese Frage überrascht war, so ließ Jeb es sich nicht anmerken.
»Ich höre das eine oder andere … aber man hat mich nie angesprochen.«
Emily zögerte, dann sagte sie hastig:
»Halte bitte die Ohren und Augen offen. Lord Joslyn hat einen Halbbruder namens Lucien, der momentan in Frankreich ist und vermutlich versuchen wird, das Land zu verlassen. Es ist möglich, dass er in Calais ist.«
Jeb wirkte nachdenklich.
»Ich kenne ein paar Leute. Ich kann mich umhören.«
»Oh, Jeb, du bist ein Schatz!«, rief Emily und lächelte erfreut. »Ich weiß, dass Lord Joslyn dich gut bezahlen wird, wenn es dir gelingt, Lucien mit zurückzubringen.«
» Falls er in Calais ist«, warnte Jeb ihn.
»Es gibt andere Häfen, in denen er sein könnte, und ich kann ihn nicht suchen
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