Eine Stuermische Nacht
gehen.«
Emily nickte, ihr Lächeln verblasste.
»Nun verabschiede ich mich«, sagte Jeb schroff. »Ich muss noch das Schiff und die Mannschaft vorbereiten, damit wir mit der Flut auslaufen können.«
Sie sah ihm nach, wie er in den Ställen verschwand, und erst, als er auf seinem Pferd wieder erschien und mit einem Winken in die entgegengesetzte Richtung davongeritten war, drehte sie sich um, um zum Haus zurückzukehren. Obwohl sie wusste, dass sie länger fortgeblieben war als geplant, waren ihre Schritte zögernd. Sie hätte Erleichterung empfinden sollen, und in vielerlei Weise war sie auch erleichtert – Jebs passendes Auftauchen hatte einige ihrer Probleme gelöst. Er hatte jetzt das Geld für neue Schmuggelware, und außerdem würde er Mrs Gilbert von ihrem Umzug nach Windmere unterrichten. Morgen würden Mrs Gilbert und Mrs Spalding die Köpfe zusammenstecken – und hoffentlich war Mrs Eason bereit, ihnen zu helfen. Sie stellte fest, dass es ihr aus unerfindlichen Gründen widerstrebte, nach Windmere zu gehen und bei Lord Joslyn in der Schuld zu stehen.
Sie schnitt eine Grimasse. Das war albern. Binnen Minuten wäre sie unterwegs zu einem der beeindruckendsten Häuser Großbritanniens, als Gast des Mannes, dessen Blick die seltsamsten Empfindungen in ihr weckte. Beinahe jede andere Frau aus der Gegend, gestand sie sich mit einer gewissen Selbstironie ein, vielleicht sogar aus ganz England, wäre außer sich vor Freude, wenn sie an ihrer Stelle wäre.
Da sie nicht zum Jammern neigte, nahm Emily entschlossen die Schultern zurück und fasste ihr Retikül fester, dann nahm sie mit der anderen ihren Rock und begann, flott zum Haus zurückzugehen. Als sie an das Wegstück kam, das sowohl von den Ställen als auch vom Haus nicht einzusehen war, stockte schon nach wenigen Metern ihr Schritt. Die Haut in ihrem Nacken prickelte, und trotz der langen Ärmel und der Wärme ihres bernsteinfarbenen Wollkleides zitterte sie.
Sie schalt sich eine Gans und machte einen weiteren Schritt, aber ein Geräusch hinter ihr ließ sie innehalten. Sie wirbelte herum, schaute in die Richtung und sah Jeffery auf seinem hellbraunen Wallach aus dem Wald preschen und quer auf dem Weg zu den Ställen anhalten.
Ihre erste Reaktion war Verwunderung, allerdings war ihre Verwunderung nicht so groß, wie wenn Jeb ihr nicht vorher erzählt hätte, dass Ainsworth und Jeffery nicht nach Newhaven geritten waren. Sie hatte nur geglaubt, dass die beiden Männer immer noch auf dem verlassenen Bauernhof seien, und sich daher weiter keine Sorgen gemacht. Jedenfalls hatte sie bestimmt nicht damit gerechnet, dass Jeffery plötzlich vor ihr auftauchen würde.
Unschuld heuchelnd fragte sie:
»Jeffery! Was tust du hier? Ich dachte, du wolltest heute nach Newhaven.«
Ihr Cousin sah nicht gut aus, und seine Miene war verschlossen, als er antwortete:
»Ach, ich hab meine Meinung geändert.«
Sie war sich der verstrichenen Zeit und des Umstandes überdeutlich bewusst, dass sie Barnaby und Cornelia von Jefferys Heimkehr unterrichten musste, daher sagte sie:
»Ah ja. Ich muss weiter.«
Hinter ihr raschelte es, und sie fuhr herum. Das Herz schlug ihr bis zum Hals, als sie Ainsworth auf seinem Pferd zwischen den Bäumen hervorkommen und ihr den Weg zum Haus versperren sah. Es entging ihr nicht, dass sie zwischen den beiden Männern gefangen war und dass sie an dieser Stelle weder von den Ställen aus noch vom Haupthaus her beobachtet werden konnten.
Emily rang die Angst, die sich in ihr regte, mannhaft nieder und rief sich in Erinnerung, dass sie noch nicht wissen konnten, dass Anne ihnen entwischt war, sodass sie ihre klaren grauen Augen auf Ainsworth richtete und verlangte:
»Sie versperren mir den Weg, Sir. Bitte lenken Sie Ihr Pferd zur Seite.«
Ainsworth lächelte hässlich, und etwas in seinem Lächeln machte ihr ernstlich Angst. Da ihr Cornelias Warnungen in den Ohren klangen, verfluchte sie sich dafür, dass sie nicht mehr auf die Vorahnung ihrer Großtante gegeben hatte. Sie wandte sich rasch zur Seite und lief zu einem Gehölz, in der Hoffnung, sich dort verstecken zu können.
Aber ihr war kein Erfolg vergönnt. Ainsworths Pferd machte einen Satz nach vorne, er streckte den Arm aus und schlang ihn ihr um die Taille, dann riss er sie von den Füßen. Ihr Retikül fiel auf den Weg. Sie wand sich und trat um sich, während er sie vor sich übers Pferd zerrte. Sie grub ihre Nägel in Ainsworths Hand auf ihrer Taille, und er fluchte, als die
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