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Eine Sünde zuviel

Eine Sünde zuviel

Titel: Eine Sünde zuviel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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beugte sich über sie. Unter den Wimpern sah sie seinen Blick. Er war forschend, lauernd, kalt. Aber seine Worte klangen sorgenvoll und voll Liebe.
    »Luiserl … was ist denn? Warum weinst du … Luiserl … Du sollst doch nicht weinen! Warum denn?«
    Sie wandte den Kopf weg. Sie konnte seinen Atem nicht mehr ertragen, nicht mehr den Geruch seines Rasierwassers und den Tabakduft, der aus seinem Anzug stieg. Ein Ekel überkam sie, ein würgendes Elend. Sie legte die Hand über ihre Augen, um nichts, wirklich nichts mehr zu sehen.
    »Es … es ist schon vorbei, Ernst«, sagte sie mit Mühe. »Es war nur die Freude, wieder zu Hause zu sein …«
    Der Tag und auch der Abend verliefen harmonisch. Man kann es nicht anders nennen. Nachdem sich Monika Horten beruhigt hatte und wirklich mit einer Kanne starkem Kaffee zurückkam, wurde Luise umsorgt wie eine altchinesische Prinzessin. Wäre sie noch blind gewesen, hätte sie das Gefühl herrlicher Geborgenheit gehabt, ein Empfinden, das sie bisher auch kannte und das Ernst Dahlmann wie mit einem Glorienschein umgeben hatte. Ich habe einen guten Mann, hatte Luise immer gedacht. Wie er dieses schwere Schicksal trägt, wie doppelt lieb er zu mir ist, mit welcher Zartheit er mich behandelt … ich habe einen herrlichen Mann!
    Auch jetzt war er nicht anders – wenn sie die Augen schloß und nur auf seine Worte hörte und seine Fürsorge bewertete. Aber nun sah sie die Wirklichkeit, die hinter seinen Worten stand, und Ernst Dahlmann brauchte sich keine Mühe zu geben, sie zu verbergen, denn für ihn war Luise ja noch blind und würde es für immer bleiben.
    Er reichte ihr die Kaffeetasse an mit der rechten Hand, während seine Linke zärtlich über die Hüften Monikas strich, die neben Luise stand und aus der Zeitung eine interessante Meldung vorlas. Er erzählte von komischen Kunden in der Apotheke und lachte jungenhaft dazu … in den Satzpausen aber küßte er Monika schnell, und er küßte sie mit einer gestenreichen Offenheit, die schamlos war und Luise jedesmal das Blut in die Schläfen trieb.
    Das war das Gefährliche an ihrem Spiel: die Unmöglichkeit, das Rotwerden zu verhindern.
    »Du bist so still, Luiserl …«, sagte Dahlmann am Abend. Er saß mit Monika auf dem Sofa und aß Konfekt. Monika hatte den Kopf an seine Schulter gelegt, ihre langen blonden Haare flossen Dahlmann über das Gesicht. Die Augen der Blinden sahen starr zu ihnen hin. Monika hob etwas die Schultern, als fröre sie plötzlich.
    Wenn diese Augen sehen könnten, dachte sie. Wenn jetzt vor diesen großen Pupillen nicht Nacht wäre, sondern wir. Wenn plötzlich der Schleier von ihnen abfiel und sie erkennen würde, was um sie herum geschieht. Es wäre furchtbar. An dieser Scham und Schuld würde ich ersticken …
    Sie schielte zu Ernst Dahlmann. Er kannte keine Skrupel, das sah man ihm an. Er trank mit Genuß sein Bier, knabberte Plätzchen, sah dabei auf den Bildschirm und hörte sich die Abendnachrichten an … ab und zu wandte er den Kopf und küßte Monika auf den zitternden Mund. Nicht einmal dieses Zittern spürte er, so sicher war er sich, so ohne Gewissen genoß er die Freiheit, die ihm das Blindsein bot. Daß Luise, seine Frau, vor ihm saß, störte ihn nicht im geringsten … für ihn war sie jetzt nur noch ein Gegenstand, der ins Zimmer gehörte wie etwa die alte Standuhr aus dem 17. Jahrhundert oder die gotische Madonna, die auf einem Sockel stand. Es war ein zwar lebender und sprechender Gegenstand, aber im Grunde genommen für ihn ein totes Gebilde, das nicht mehr in die Funktion seines Lebens eingriff. Man konnte vor ihm tun, was man wollte – es reagierte nicht mehr. Und Ernst Dahlmann tat, was er wollte, und er fühlte sich pudelwohl dabei.
    »Ich bin müde«, sagte Luise mit belegter Stimme.
    »Aber gleich kommt im Fernsehen eine Operette, Luiserl. Du hörst doch so gerne Operetten. Von Offenbach ist sie. Sie wird dich heiterer machen, Liebes –«
    »Die lange Reise, Ernst …« Luise legte den Kopf nach hinten auf die Lehne. Ich möchte ihn erwürgen, dachte sie. Ja, das könnte ich. Nie habe ich begriffen, daß man einen Menschen aus Haß, aus Eifersucht oder aus Liebe umbringen kann. Ich habe immer den Kopf geschüttelt, wenn ich so etwas in der Zeitung las. Ich habe gesagt: Diese Menschen müssen krank sein … oder innerlich völlig haltlos … Es gäbe doch nichts auf der Welt, was mich zwingen könnte, einen Menschen umzubringen, es sei denn, ich müßte mein eigenes Leben

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