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Eine Sünde zuviel

Eine Sünde zuviel

Titel: Eine Sünde zuviel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Dahlmann ins Telefon. »Wie kann der Giftschrankschlüssel weg sein?! Suchen Sie sofort alles ab! Wenn er sich nicht wiederfindet, muß ein neues Schloß eingebaut werden! So eine Schlamperei! Muß man denn immer dabei sein?!«
    Luise drehte sich um. Dahlmann drehte ihr den Rücken zu und klopfte mit den Knöcheln gegen die Schrankwand. Mit schnellem Griff vertauschte sie die Aperitifgläser, schob ihr Glas mit der aufgelösten Pille auf seinen Platz und rückte Dahlmanns Glas zu sich. Dann lehnte sie sich zurück und tat, als lausche sie auf das Gespräch.
    »Ja, rufen Sie mich sofort, wenn Sie den Schlüssel gefunden haben! Sie wissen, daß Sie in meiner Abwesenheit allein die Verantwortung für den Mißbrauch tragen …«
    Er legte auf und kam zurück. »So etwas –«, sagte er und wischte sich mit dem Taschentuch über die Stirn. »Der Giftschrankschlüssel ist verschlampt worden! Das Heiligste einer Apotheke! Wenn man nicht alles selber macht.« Er tätschelte Luise die Wangen und setzte sich wieder. »Trinken wir jetzt endlich unseren Willkommenstrunk.« Er hob sein Glas hoch und prostete Luise zu, als könne sie sehen. Sie hob ihr Glas gleichfalls, aber sie prostete an ihm vorbei, eine Blinde, der die genaue Orientierung fehlt.
    »Ich liebe dich!« sagte Dahlmann pathetisch und trank sein Glas in einem langen Zug leer. Luise nippte nur am Glas, setzte es dann ab und wartete. Sie beugte sich vor und starrte Dahlmann an.
    Wann verfärbt er sich, dachte sie. Wann röchelt er? Wann merkt er, daß er das Gift getrunken hat?
    Ernst Dahlmann sprach weiter. Er erzählte von seiner Fahrt in die Heide, von dem merkwürdigen Gasthaus ›Grüner Krug‹, von dem noch merkwürdigeren Julius Salzer, der sich seinen Lebensunterhalt als Küchenjunge verdiente und romantische Bücher schrieb.
    Luise schwieg und wartete.
    Dahlmann stand auf und goß sich ein neues Glas ein. Er ging aufrecht und sicher wie immer, er sprach dabei weiter, aber Luise hörte nicht auf die Worte, sie hörte nur Töne und sah, wie Dahlmann das neue Glas austrank, wie er lustig war und zum Radio ging, Tanzmusik anstellte.
    Sie wartete.
    »Wollen wir tanzen?« fragte er.
    »Tanzen? Wir?«
    »Warum nicht?«
    »Wir haben über ein Jahr nicht mehr miteinander getanzt.«
    »Ist das ein Grund, es nicht wieder zu tun? Ich freue mich so, daß wir allein sind.«
    »Wenn du willst …«
    Er zog sie aus dem Sessel, legte den Arm um ihre Schulter und ihre Hüfte und führte sie vorsichtig in einen Slow-fox hinein. Er tanzte elegant wie immer, er führte sie mit der Behutsamkeit einer Krankenschwester, die mit ihrer Patientin die ersten Schritte nach langem Krankenlager übt, und er küßte sie sogar hinter die Ohren, wie er es damals getan hatte … damals, als sie in seinen Armen willenlos wurde.
    Sie tanzte und wartete.
    Aber nichts geschah. Von der Apotheke wurde lediglich angerufen, man habe den Schlüssel noch nicht gefunden.
    »So eine Sauerei!« sagte Dahlmann und stellte das Radio leiser. »Ich springe nur schnell hinunter und sehe nach, Luiserl. In zehn Minuten bin ich wieder da. Willst du noch einen Aperitif?«
    »Nein, danke, Ernsti …«
    Sie wartete, bis die Dielentür klappte. Dann sprang sie auf und rannte zu der Barschublade.
    Zwischen Barzangen und einem kleinen, verchromten Eispickel lag die Medikamentenschachtel.
    Anovlar stand darauf.
    Eine Anti-Baby-Pille. Ernst Dahlmann hatte eine Anti-Baby-Pille geschluckt …
    Da lachte sie … sie bog sich zurück und lachte. Es brach aus ihr heraus, eine Befreiung wie eine Explosion. Nach dem Lachen fiel sie zusammen, sank in den Sessel zurück und weinte hysterisch.
    Sie weinte noch immer, als Dahlmann wieder zurückkam.
    *
    Der folgende Tag war wieder ein sonniger Herbsttag. Fräulein Erna Pleschke erschien, um Luise Dahlmann zum Spaziergang abzuholen. Ernst Dahlmann bedauerte, nicht mitkommen zu können … er erwartete den Schreiner, der ein neues Schloß in den Giftschrank einsetzen mußte. In der Mohren-Apotheke sprach man nicht über den fehlenden Schlüssel … die Standesehre verbot, überhaupt daran zu denken. Ein verschwundener Giftschrankschlüssel … der Gedanke allein gehört zu den Alpträumen eines Apothekers.
    Im Park von Herrenhausen waren die Eisverkäufer verschwunden: Die Sommersaison war vorbei, bald würde die andere Fakultät, die Heiße-Würstchen-Verkäufer, Park und Schloß umwandeln. Gegenwärtig war so etwas wie ein Interregnum … für Eis zu spät, für Würstchen zu

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