Eine Sünde zuviel
aus, große Flecken glänzten braun auf Rock und Hosen.
»Der schöne hellgraue Anzug –«, sagte Luise.
Erst als sie es ausgesprochen hatte, wußte sie, was geschehen war. Sie erstarrte, ihre Hände krallten sich in das Tischtuch.
Sie sahen sich an, eine ganze Weile, stumm und auf das erste Wort des anderen wartend. Robert Sanden lächelte zaghaft und setzte sich langsam. Er nahm Luises Hände, sie waren eiskalt, wie gestorben.
»Ich habe es geahnt …«, sagte er stockend. »Ich habe es absichtlich getan … Ich weiß, daß Sie sehen können …«
Mit einem Ruck entzog sie ihm die Hände.
»Lassen Sie mich gehen –«
Sanden hielt sie fest, als sie aufspringen wollte.
»Nein. Flüchten Sie nicht. Ich weiß auch, wie es bei Ihnen zu Hause ist … in Ihrer Ehe, mit Ihrem Mann, Ihrer Schwester … ich weiß alles …«
»Lassen Sie mich gehen«, keuchte Luise und sprang auf.
»Ja.« Auch Sanden erhob sich. Die großen braunen Flecken auf seinem Anzug genierten ihn nicht. »Lassen Sie uns zusammen gehen … lassen Sie uns gemeinsam gehen … nicht nur heute … von jetzt an immer …« Er schluckte und senkte den Kopf. Wie ein kleiner Junge, der um fünf Pfennig für Bonbons bettelt, sagte er leise: »Ich liebe Sie, Luise …«
*
Ein alter, klappriger Lieferwagen mit einem Zeltplanenverdeck hielt vor der Mohren-Apotheke. Aus dem Führerhaus kletterte Monika Horten, in langen, engen blauen Hosen und einem grellgelben Pullover. Ernst Dahlmann, der gerade einer Kundin ein Hormonpräparat zur Straffung schlaffer Altershaut erklärte, ließ sie stehen und stürzte auf die Straße.
»Bist du verrückt?« zischte er, als er neben Monika stand. Der Lastwagenfahrer klappte das Verdeck zurück. »Was willst du hier? Wenn dich Luise entdeckt …«
»Das soll sie ja.«
»Monika! Denk an unseren Pakt!«
»Ich will nur meine Sachen aus dem Atelier holen. Dann hast du Ruhe vor mir.«
»Und wenn Luise vorzeitig zurückkommt? Wenn sie dich hört?«
»Das braucht sie nicht. Ich bleibe so lange, bis sie zurückkommt.«
»Nein!«
»Willst du mich hindern, mich von meiner Schwester zu verabschieden?«
»Ja!«
»Affe!«
Sie ließ ihn stehen und ging mit dem Lastwagenfahrer ins Haus. Dahlmann stand wie betäubt. Kein Schlag hätte ihn mehr aus der Fassung bringen können als dieses eine Wort und die unendliche Verachtung, die in ihm lag. Und die Haltung Monikas, die entschlossen war, das neue Gebäude aus Liebe und Fürsorglichkeit zu zerstören, den letzten Trick, den Dahlmann in einer bereits panikartigen Hilflosigkeit versuchte.
Er rannte ihr nach und zog sie in die Wohnung. Sie schlug zwar um sich, aber da er sie nur ins Zimmer stieß und nicht hinter sich abschloß, sondern schwer atmend zum Barschrank ging und nach dem Kognak griff, schrie sie nicht um Hilfe, sondern setzte sich auf die Couch in der Blumenecke.
»Bitte, gebärde dich nicht als starker Mann!« Ihre Stimme troff von Spott. »So jung, um Siegfried zu sein, bist du auch wieder nicht. Das ist passé –«
Dahlmann atmete ein paarmal tief durch. Der Spott auf sein Alter, dieses Trauma, das ihn zu allen Handlungen trieb, brannte in ihm wie ein offenes Feuer. Er trank aus der Flasche und starrte Monika mit zitterndem Gesicht an. Sie saß aufreizend zwischen den Blumen, ein blaugelber Paradiesvogel mit leuchtendem goldenem Federhut. Ihre Zehen pendelten auf und ab.
»Was willst du Luise sagen?« fragte er tonlos.
»Alles.«
»Und warum?«
»Ich will einen Schlußstrich ziehen unter ein Leben, das gemein war. Ich will neu beginnen. Vielleicht verzeiht mir Luise, vielleicht auch nicht. Aber das ist unwichtig. Ich will den Druck von mir haben, dieses Wissen einer ungesühnten Sünde, ich will mich freireden … verstehst du das nicht?«
»Nein.«
»Es ist meine Schwester, die ich betrogen habe. Ehe ich für immer aus eurem Gesichtskreis verschwinde, soll sie keinen Haß mehr haben.«
»Haß! Haß! Sie weiß doch nichts von uns!« schrie Dahlmann.
»Sie weiß alles.«
»Dummheit!«
»Sie kann sehen!«
»Nein!« Dahlmann trank wieder aus der Flasche. Der starke Kognak begann, in seinem Hirn Nebel zu bilden und seinen Körper leicht werden zu lassen. Es war ihm, als gehe er auf Wolken. Und mutig wurde er, schrecklich mutig. »Heute noch habe ich sie geprüft. Du bist eine hysterische Ziege!«
»Wenn schon. Ich will mit ihr sprechen.« Monika beugte sich vor. »Ich habe mir überlegt, was du mir gesagt hast. Luise will dir alles schenken. Dieser
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