Eine Sünde zuviel
Entschluß wäre für mich der einzige Beweis, daß sie wirklich blind ist. Und wie ich dich kenne, bist du jetzt besonders lieb zu ihr, bist du der liebevollste Ehemann, wie er sonst nur in Märchenbüchern der Erwachsenen, den Schnulzen, vorkommt …«
»Allerdings –«
»Siehst du, und das will ich dir versalzen. Luise soll dich sehen, wie du bist.« Sie lehnte sich zurück. Ihr schöner, schlanker Körper lag fast auf der Couch. »Gib zu, daß du am Ende bist.«
»Noch nicht. Wenn ich deinem merkwürdigen Julius Salzer sage, daß du …«
Monika winkte ab. »Zu spät. Ich habe es ihm gestern abend selbst gesagt …«
Auf Dahlmanns Hirn fiel eine Bleiplatte. Er lehnte sich an die Wand. »Und –?« fragte er.
»Er hat mir den Mund zugehalten. Er will nicht wissen, was war … ihn geht nur die Zukunft an.« Monika lächelte. »Du siehst, die Sache wird einseitig. Ich habe nichts mehr zu verlieren …«
Dahlmann tappte in die Mitte des Zimmers. Er war betrunken und doch wieder so klar, daß er Monikas Lächeln sah und die Gefahr, die von ihr ausging.
Was soll ich tun, dachte er immer wieder. Was soll ich bloß tun? Sie darf Luise nicht sprechen! Er sah auf die Uhr. In zwei Stunden kam Luise zurück. Sie kam immer pünktlich, keiner wußte es so gut wie er und Monika. Sie hatten ein Jahr lang nach diesen Zeiten ihre Liebe eingeteilt. Liebe –
»Willst du Geld?« fragte er heiser.
»Nein. Ich kann mich selbst ernähren.«
»Willst du Anteile?«
»Sie stehen mir sowieso zu.«
»Willst du mehr Anteile?«
»Nein.«
»Was willst du denn?« brüllte Dahlmann voller Panik.
»Ein reines Gewissen … und das kannst du mir nicht geben! Das muß ich mir selbst holen …«
Das war der Augenblick, in dem bei Dahlmann der letzte Rest Vernunft zerbrach. Es geschah alles so schnell, so tierhaft, so lautlos, daß er nachher nie mehr sagen konnte, wie es gekommen war.
Er machte einen taumelnden Satz, er fiel mit seinem ganzen Gewicht über Monika, drückte sie in die Kissen, seine breite Hand preßte sich auf ihren zum Schreien aufgerissenen Mund, die andere Hand griff an ihre Kehle … sie trat ihn in den Unterleib, er spürte es nicht, sie biß in seine Hand, er merkte keinerlei Schmerz … er lag über ihr, fühlte ihren zuckenden Körper und drückte ihr die Kehle zu.
Als er sich erhob, lag sie mit bläulichem Gesicht in den Kissen. Er beugte sich über Sie … ihr Herz schlug noch.
»Mein Gott –«, sagte er. »Mein Gott – jetzt muß ich etwas tun –«
Und er wurde schlagartig nüchtern.
Zunächst stellte er fest, daß sein Würgegriff nicht tödlich gewesen war. Das Herz setzte nicht aus, es schlug weiter. Die Sauerstoffzufuhr zum Gehirn setzte wieder ein, das Bläuliche im Gesicht verlor sich, die geschwollene Zunge ging zurück, die Augenlider begannen zu zittern. Das Leben kehrte zu Monika Horten zurück. Ein Leben, das den Untergang Ernst Dahlmanns bedeutete. Es gab gar keinen Zweifel … die größte Gefahr bedeutete sie. Luise war blind und hilflos, aber hier war ein Mädchen, das nach dieser Stunde nur einen Gedanken haben würde: Vernichte ihn!
Dahlmann stand vor der Couch und starrte Monika an. Er sah in ihr nicht mehr die Geliebte, eine tiefe Gleichgültigkeit gegenüber den weiblichen Reizen hatte ihn ergriffen. Er sah in Monika nunmehr nur noch den Feind.
Die Frau, die alle Mittel in der Hand hielt, ihn um den Traum seines Lebens zu bringen. Um Geld, um Unabhängigkeit, um männliche Stärke, gestützt durch vergoldetes Ansehen.
Dahlmann wartete nicht ab, bis Monika aus ihrer Besinnungslosigkeit erwachte. Er holte aus seiner kleinen Hausapotheke eine Injektionsspritze und eine kleine 2-ccm-Ampulle mit Morphin, zog die wasserhelle Flüssigkeit auf und stach die Hohlnadel in den Oberschenkel Monikas. Sie zuckte ein wenig; es war in dem Augenblick des Hinübergleitens in das Bewußtsein. Dann streckte sich der Körper wieder, die Lider flatterten nicht mehr, die Atmung war normal, aber flacher … sie schlief fest, betäubt und für Stunden gefahrlos.
Dahlmann spülte die Ampulle und die Hohlnadel durch das WC weg. Die Spritze steckte er in die Rocktasche. Er würde sie in der Apotheke mit anderen Spritzen auskochen und neu sterilisieren. Dann ging er hinauf ins Atelier.
Der Lastwagenfahrer saß auf einer Kiste und trank eine Flasche Bier.
»Was ist?« fragte er und wischte sich den Mund mit dem Handrücken ab. »Alles ist aufgeladen. Können wir fahren?« Er drückte den Klemmkorken
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