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Eine Sünde zuviel

Eine Sünde zuviel

Titel: Eine Sünde zuviel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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auch keine Absicht gewesen war, also kein Mord, so war es doch ein Tod durch die Injektion, ein Totschlag, ein Unfall, den er herbeigeführt hatte.
    Das erste Problem hieß: Wie kann man Monika Horten wegbringen? Und wohin? Es war Ernst Dahlmann unmöglich, sie irgendwo in dem dichten Wald, der sie umgab, zu verscharren, so wie man einen tollwütigen Hund unter die Erde bringt. Es war aber auch unmöglich, sich der Polizei zu stellen. Und da war dieser junge Schriftsteller Julius Salzer, der keine Ruhe geben würde und Monika suchte, da war Luise, die nach ihr fragen würde, da war vor allem der Rechtsanwalt Dr. Kutscher, der sich durch ausweichende Reden nicht abschütteln lassen würde.
    Es gibt keinen perfekten Mord, das hatte Dahlmann immer gelesen. Und es würde auch keinen perfekten Totschlag geben. Monika war zuletzt bei ihm gesehen worden … also würde man die Spur der Verschwundenen zuerst bei ihm aufrollen. Er wußte nicht, ob er die Nerven besaß, die Rolle des Unwissenden zu spielen. Er glaubte es nicht, vor allem nicht mehr in den Sekunden, in denen sein Blick zu der lang hingestreckten Gestalt zuckte, zu dem hübschen Gesicht mit den langen goldblonden Locken, das jetzt ein wenig spitz geworden war und sehr ernst.
    Zunächst setzte er sich an den schweren Tisch und stützte den Kopf in beide Hände. Ihm war speiübel, er würgte und fühlte, wie sein Herz schmerzte. Die Angst überkam ihn wieder, jene schreckliche Lebensangst, die ihn von jeher gepeinigt und zu Taten getrieben hatte, die oft jenseits aller Vernunft standen.
    Sie muß weg, dachte er immer wieder. Monika muß weg. Er hatte nie geglaubt, wie schwer es ist, einen Menschen völlig verschwinden zu lassen, so restlos aus der Welt zu bringen, daß er nie wieder entdeckt wurde. Wenn man ihm das früher erzählt hätte, würde er gelacht haben. Nichts einfacher als das … die Welt ist groß genug, um einen einzelnen Körper zu verstecken … Nun saß er hilflos vor einer Leiche und wußte nicht, was er mit ihr anfangen sollte.
    Das einfachste war das Vergraben. Irgendwo in der Tiefe des Waldes, unter weichem Humusboden … oder das Versenken im Moor … es war nur eine Fahrt von zwei Stunden, bis er die einsamen, von ewiger Melancholie überschatteten Sümpfe erreichte … über die Autobahn bis Fallingbostel, dann über Walsrode, Visselhövede und Rotenburg nach Zeven … von dort war der Weg frei in verschiedene Moore, in weite Landstriche, deren Einsamkeit nur von den schmalen Moorkanälen unterbrochen wurde. Hier konnte man einen Körper für immer versenken … die breiige Tiefe gab ihn nicht mehr her … vielleicht in fünfzig oder hundert Jahren, wenn man diesen Teil des Moores trocken legte und begann, Torf zu stechen. Aber wer erinnerte sich da noch an eine Monika Horten … und einen Ernst Dahlmann gab es dann auch nicht mehr.
    Der Gedanke an das Moor ließ Dahlmann nicht mehr los. Nur durfte er Monika dabei nicht ansehen. Ihr schöner Körper in der fauligen Tiefe eines Sumpfes … ihr schönes Gesicht mit den goldenen Haaren, versinkend im grundlosen Brei aus Erde und Pflanzen und schlammigem Wasser … es war ihm unmöglich, weiterzudenken, und doch war es die einzige Möglichkeit; Monika für immer aus dieser Welt zu schaffen.
    Für Dahlmann war es klar, daß es jetzt für ihn auch nur um das nackte Leben ging, um einen Abgang von der Bühne einer von ihm geschriebenen Tragödie, der ihn, den Hauptakteur, nicht mit in den Strudel hinabriß. Es mußte ein stilles Verschwinden sein … Einlösung der beiden Blankoschecks, von denen Luise nichts mehr wußte (sie waren ein Jahr alt, und damals hatte Dahlmann ihre Hand geführt, da sie die Schecks unterschrieb), es konnten immerhin 45.000 Mark sein, die er aus den beiden Konten herausziehen würde, nicht viel, aber für einen neuen Anfang irgendwo in der Welt mußte es reichen. Eine Flugkarte nach Zürich … von dort mit dem Zug nach Mailand, von Mailand mit dem Bus nach Genua, von Genua mit dem Schiff nach Südamerika … ein glatter Weg, zu dessen Vorbereitung er vier Tage brauchte. Nur noch vier Tage … und der Vorhang konnte fallen über das erste Leben des Apothekers Ernst Dahlmann, der für eine Sünde zuviel Ordnung, Moral und Gewissen eintauschte. Was das zweite Leben bringen würde, wer konnte es vorher wissen? Eine neue Sünde? Oder eine ewige Flucht vor der Erinnerung? Ein ständiges Verstecken vor der Vergangenheit? Niemals Ruhe, niemals Freude, niemals ohne Angst? War

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