Eine Sünde zuviel
Verhältnis zu Sanden, für ihn bedeutete. Vor allem war es undenkbar, daß er den Kampf um das Vermögen der Hortens aufgab, einen Kampf, den er bisher mit teuflischer Phantasie geführt hatte.
»Wo warst du?« fragte sie.
»Das interessiert dich noch?« fragte er zurück.
»Ja.«
»Ich bin durch Hannover gerast. Kreuz und quer. Ich habe irgendwie in der Raserei eine Erlösung gesucht … Du weißt gar nicht, was du mir angetan hast. Luiserl … Ich hatte einen Augenblick den Gedanken, den Wagen in voller Fahrt gegen eine Mauer prallen zu lassen.«
Luise schwieg. Sie sah sein zerknittertes, bleiches, wie aufgeweichtes Gesicht. Was hat ihn innerlich so zerstört?, grübelte sie. Der Zusammenbruch unserer Ehe kann es nicht sein, denn sie ist vor über einem Jahr schon zerbrochen. Der Verlust des Geldes … das höhlt ihn nicht innerlich aus. Monika? Kann er den Weggang Monikas nicht verschmerzen?
»Warum hast du Monika geschlagen?« fragte sie.
Julius Salzer hieb mit der Faust auf den Tisch. »Jawohl! Ich habe alles erzählt. Dr. Ronnefeld hat mich durch Spritzen wieder fit gemacht. Wo ist Moni?« brüllte er plötzlich und sprang auf.
»Ich habe Monika geohrfeigt, weil sie zu mir frech wurde. Sie hat mich beleidigt. Sie hat mich einen Schmarotzer der Ehefrau genannt. Da gingen die Nerven mit mir einfach durch –«
»Das ist nicht wahr!« schrie Salzer. Dr. Kutscher hielt ihn am Rock fest, sonst wäre er vorgestürzt. »Monika war Ihre Geliebte!«
Ernst Dahlmann hatte es erwartet. Er nahm es hin und lächelte sogar, so, wie man über einen miesen Clown lächelt, dessen Späße angestanden sind. Luise starrte ihn verwundert an. Die große Überraschung war mißlungen.
»Stimmt das?« fragte sie hart.
»Nein!«
»So ein Feigling!« schrie Salzer.
»Du leugnest es ab?«
»Ich leugne nicht … ich halte diese Verdächtigung für so absurd, daß ich nur noch aus Höflichkeit darauf antworte. Es erschreckt mich fast, daß du so etwas glauben kannst. Monika und ich … das ist doch lächerlich!«
Du Lump, dachte Luise und legte die Hände in den Schoß. Du erbärmlicher Schuft. Auch Julius Salzer strich sich mit zitternder Hand die Haare von den Augen.
»Sie hat es mir selbst gesagt …«, keuchte er. »Sie hat es mir unter Tränen gebeichtet.«
»Dann hat sie gelogen und Ihnen eine schöne Szene vorgespielt.«
»Lassen Sie mich los, Doktor!« schrie Salzer und zerrte an seinem Rock.
»Es wäre am einfachsten, Monika selbst zu fragen«, sagte Dahlmann völlig ruhig. »Hier, vor Ihnen allen, in meiner Gegenwart. Ich glaube kaum, daß sie dann ihre Behauptung wiederholt …«
»Wo ist Monika –«, fragte Luise wieder. Die Sicherheit Dahlmanns war ihr unheimlich.
»Ich weiß es nicht.« Dahlmann hob bedauernd beide Arme. »Mir läge jetzt sehr viel daran, Monika hier zu haben, um diese Infamie aufzuklären!«
»Wenn Ihre Schwägerin nicht bis heute abend neunzehn Uhr aufgetaucht ist, werden wir die Polizei einschalten«, sagte Dr. Kutscher. Dahlmann schüttelte den Kopf.
»Nein! Ich bin dafür, daß dies sofort geschieht! Sofort! Man wird nur auf der Polizei darüber lachen, daß aus der Mohren-Apotheke die Frauen verschwinden und sich nachher in anderen Betten wiederfinden. Doch das ist Geschmackssache! Ich bitte Sie, Doktor, die Polizei umgehend zu benachrichtigen …«
»Ich rufe erst in Soltau an.« Julius Salzer machte sich mit einem Ruck frei und ging zum Telefon. Luise starrte noch immer ihren Mann an. Er leugnet Tatsachen, als seien es Utopien. Und er läßt es darauf ankommen, daß man ihm Monika gegenüberstellt. Welch ein Mensch ist das bloß?! Wie kann so viel Gemeinheit in einem Körper wohnen?! Ernst Dahlmann blickte von einem zu anderen. Seine Mundwinkel zogen sich herab wie bei einem schmollenden Kind.
»Ich nehme an, daß Sie vorhaben, sich noch länger in diesem Raum aufzuhalten. Da Sie Gäste meiner Frau sind, bin ich so unhöflich, mich von Ihrer Gegenwart zu befreien. Wenn irgend etwas ist –, ich bin unten in der Apotheke. Sie können mich dort sprechen, wenn ich die nötige Zeit dazu frei habe …«
In stolzer Haltung verließ er die Wohnung. Die große Schau, die Luise geben wollte, war vertan. Sie sank zurück in den Sessel, noch einmal für kurze Zeit die Blinde, die nur hört und fühlt. Und noch etwas hielt sie ab, ihre dunkle Brille abzunehmen und zu sagen: »Dr. Ronnefeld … sie haben auf dem linken Revers Ihres Anzuges einen kleinen Fleck …« – die
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