Eine süße Versuchung für Marcy
ihre Handtasche und die Autoschlüssel zu holen. Dylan und Annie warteten an der Haustür. Sie beschrieb Marcy den Weg, die mit Dylan ins Auto stieg und losfuhr. An der ersten Kreuzung warf sie Dylan einen Blick zu und sah, dass er Tränen in den Augen hatte.
„Sie hat doch gesagt, dass es nicht so schlimm ist“, tröstete Marcy ihn.
„Das ist es auch nicht.“ Seine Stimme klang rau und verletzlich. „Aber jetzt bin ich doch nutzlos für Eric. Ich darf doch nur bleiben, wenn ich ihm helfen kann.“ Eine Träne lief ihm die Wange hinunter.
„Er wird dich schon nicht vor die Tür setzen“, beruhigte Marcy ihn.
„Eric sagt immer, dass man sich wie ein Mann verhalten soll. Ein Mann arbeitet. Ein Mann übernimmt Verantwortung. Und ich?“ Mit dem Kinn deutete er auf seinen Arm.
„Ich glaube, du unterschätzt ihn. Außerdem ist es auf seinem Grundstück passiert. Er wird sich dafür verantwortlich fühlen.“
Dylan schaute aus dem Seitenfenster und versuchte, sich die Träne abzuwischen, ohne seinen Arm loszulassen.
„Was ist denn mit deiner Familie, Dylan? Sie sollte darüber Bescheid wissen.“
„Ich habe keine Familie.“
Marcy bog um eine Kurve und fuhr auf eine Ampel zu. „Dein Vater ist Zimmermann, hat Eric mir erzählt.“
„Er ist nicht mein Vater, sondern nur der Mann, der mich großgezogen hat. Ich möchte nicht darüber reden. Ich habe keine Familie. Punkt.“
Sie hielt auf dem Parkplatz der Klinik.
Zwei Stunden, zehn Stiche und eine Tetanusspritze später fuhren sie zu Erics Haus zurück.
Dylan ließ sich aufs Sofa fallen.
„Nimm doch etwas gegen die Schmerzen“, schlug Marcy vor.
„Geht schon“, murmelte er. Mit geschlossenen Augen lehnte er sich zurück. Offenbar hatte er keine Lust zu reden.
Sie fragte sich, wann Eric nach Hause kommen würde. Das Seminar musste längst vorbei sein, aber wer weiß, wie lange er danach noch in der Universität blieb.
Um die Zeit zu nutzen, ging sie in die Küche und bereitete einen Salat vor. Kochen lenkte sie von ihren Gedanken ab. Und es machte ihr Spaß – schon seit sie ein Teenager war. Ihre Kindheit war recht idyllisch gewesen. Ihr Vater war Ingenieur, ihre Mutter Hausfrau.
Noch als Erwachsene fuhr sie sonntags immer zum Essen nach Hause, bis ihre Eltern im vergangenen Jahr nach Arizona gezogen waren. Sie hatten eine enge Beziehung, und von ihren Eltern hatte sie sich immer geliebt gefühlt. Was ihr sonstiges Liebesleben anging – nun, darüber redete sie nicht mit ihrer Mutter.
Marcy schaute ins Wohnzimmer und stellte fest, dass Dylan eingeschlafen war. Gerade als sie den fertigen Salat in den Kühlschrank stellte, hörte sie Erics Wagen in der Einfahrt. Er kam gar nicht erst ins Haus, sondern ging sofort in den Garten, und sie gesellte sich zu ihm.
„Hallo. Wie war Ihr erster Tag?“, erkundigte sie sich.
„Hektisch.“ Stirnrunzelnd sah er sich um. „Was ist denn hier geschehen? Oder besser: Nicht geschehen?“ Er machte eine ausladende Handbewegung.
„Regen Sie sich bitte nicht auf. Es ist alles in Ordnung. Dylan hatte nur einen kleinen Unfall mit der Schere.“ Sie erzählte ihm, was passiert war. „Im Moment schläft er. Er macht sich Sorgen, wie Sie darauf reagieren.“
„Warum sollte er vor mir Angst haben?“
„Nicht vor Ihnen. Die Wunde ist ziemlich tief, und er darf ein paar Tage lang keine körperliche Arbeit machen. Er fürchtet, dass Sie ihn hinauswerfen.“
„Ach so.“ Er schwieg.
Dylan saß am Fenster, schaute auf die Straße und sah einigen Kindern beim Ballspielen zu. Er musste gehört haben, wie Marcy und Eric ins Zimmer gekommen waren, aber er schaute Eric nicht an. Sein rechter Arm war bis unterhalb des Ellbogens bandagiert. Schützend hielt er ihn mit der linken Hand fest.
Eric setzte sich neben ihn. „Harter Tag, was?“
„Ja.“
„Tut es sehr weh?“
„Nicht so schlimm.“ Er sah Eric in die Augen und bog den anderen Arm. „Ich kann mit dem linken Arm arbeiten.“
„Der Arzt sagt etwas anderes.“ Dylan zuckte zusammen, als habe man ihn geschlagen. „Aber mach dir keine Sorgen. Ich habe dir einen Job versprochen, und sobald der Doktor sagt, dass alles in Ordnung ist, kannst du weiterarbeiten. Vorläufig ruhst du dich erst mal aus.“
„Ich kann aber arbeiten. Vieles mache ich mit einem Arm.“
„Immer langsam.“ Eric wollte eine Hand auf Dylans Schulter legen, doch der Junge wich zurück. „Unfälle passieren nun mal. Und dieser ist auf meinem Grundstück passiert. Marcy
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