Eine Tiefe Am Himmel
Gewiss war Larson einer, der das Sagen hatte, doch das Wort für seinen Rang bedeutete mehr als das. Pham kannte den Begriff des Philosophen auf dem Königsthron, des Roi philosophe. Doch Larson war ein Geschäftsmann. Vielleicht bedeutete sein Titel ›Philosoph-Magnat‹. Hmm.
Pham erreichte das Grundstück Larsons. Er bog in einen privaten Seitenweg ab, der fast so breit wie die Promenade war. Die Anzeige seiner Datenbrille verblasste, er hatte nur noch natürliche Sicht. Pham war verärgert, aber nicht überrascht. Er ging weiter, als gehöre ihm hier alles, ließ sogar die Hunde hinter einen Zwei-Meter-Blumenständer scheißen. Der Philosoph-Magnat soll meine tiefe Achtung für das ganze Geheimnis erfassen.
»Folgen Sie mir bitte.« Die Stimme erklang leise hinter ihm. Pham unterdrückte eine heftige Bewegung, wandte sich um und nickte dem Sprecher lässig zu. Im rötlichen Dämmerschein sah er keinerlei Waffen. Hoch am Himmel und zwei Millionen Kilometer entfernt flackerte eine Kette blauer Blitze über das Antlitz von Trygve. Er warf einen gründlichen Blick auf seinen Führer und die drei anderen, die im Dunkel verborgen gewesen waren. Sie trugen Firmenkleidung, doch ihm entgingen weder die militärische Haltung noch die Datenbrillen, die sie über den Augen trugen.
Sollten sie die Hunde nehmen. Gut so. Die vier Tiere waren groß und sahen raubtierhaft böse aus. Vielleicht hatte man ihnen Sanftheit angezüchtet, doch es würde mehr als einen Spaziergang im Zwielicht brauchen, um aus Pham einen Snarlihund-Liebhaber zu machen.
Pham und die verbliebenen Wächter gingen über hundert Meter weiter. Er erhaschte einen flüchtigen Blick auf fein geschwungene Äste, Moos, das einfach so am Ansatz der Wurzeln wuchs. Je höher die gesellschaftliche Stellung, umso mehr waren diese Burschen auf urwüchsige Natur aus – und umso perfekter musste jede Einzelheit sein. Zweifellos wurde dieser ›Waldweg‹ seit einem Jahrhundert manikürt, um unverfälschte Wildnis darzustellen.
Der Weg öffnete sich auf einen Hanggarten über einem Bach und einem Teich. Der rötliche Bogen von Trygve genügte, dass Pham die Tische ausmachen konnte und die kleine menschliche Gestalt, die sich erhob, um ihn zu begrüßen.
»Magnat Larson.« Pham machte die kleine halbe Verbeugung, die er zwischen Gleichgestellten gesehen hatte. Larson erwiderte sie, und irgendwie wusste Pham, dass der Mann grinste.
»Flottenkapitän Nuwen… Nehmen Sie bitte Platz.«
Es gab Kulturen, wo der Handel nicht beginnen konnte, bis alle von unwichtigem Gequassel zu Tode gelangweilt sind. Hier rechnete Pham nicht damit. Er sollte in zwanzig Kilosekunden wieder in seinem Hotel sein – und es wäre für sie beide besser, wenn die anderen Kartell-Leute nicht begriffen, wo Pham gewesen war. Doch Gunnar Larson schien es nicht eilig zu haben. Hin und wieder war er im Licht der Blitze von Trygve zu sehen: der typische Menschenschlag von Ytre, aber sehr alt, das blonde Haar schütter geworden, Runzeln in der blassrosa Haut. Sie saßen über zwei Kilosek in dem von Blitzen zerrissenen Dämmerschein. Der alte Mann quasselte über Phams Vorleben und die Vergangenheit von Trygve Ytre. Verdammt, vielleicht rächt er sich dafür, dass ich seine Blumen habe vollkacken lassen. Oder vielleicht war es so eine unergründlich ytrische Sache. Immerhin sprach der Bursche erstklassiges Aminesisch, und in dieser Sprache war auch Pham auf der Höhe.
Larsons Grundstück war sonderbar still. In Dirby lebte fast eine Million Menschen, und obwohl keines der Gebäude ungeheuerlich groß war, reichte die typische Großstadt bis auf tausend Meter an das Nobelviertel der Huskestrade heran. Doch wie sie hier saßen, waren die lautesten Geräusche Gunnar Larsons albernes Geplapper – und das Plätschern eines kleinen Wasserfalls ein kurzes Stück hangabwärts. Phams Augen hatten sich inzwischen gut an den Dämmerschein gewöhnt. Er sah das Spiegelbild von Trygves Lichtbögen im Teich. Er sah Wellen, wenn ein großes, schuppiges Wesen durch die Oberfläche stieß. Allmählich finde ich tatsächlich Gefallen an dem Lichtzyklus von Ytre. Vor drei Wochen hätte Pham nicht geglaubt, dass es jemals so weit kommen würde. Tage und Nächte waren länger als jeder Rhythmus, den Pham aufrechterhalten konnte, doch die mittägliche Verfinsterung gewährte eine Ruhepause. Und nach einer Weile begann man zu vergessen, dass fast jede Farbe eine Schattierung von Rot war. Und diese Welt hatte etwas bequem
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