Eine Tiefe Am Himmel
genug an dieses Ziel herankommen, nahe genug für mich und jeden vernünftigen Menschen – aber vielleicht nicht nahe genug, um selbst zufrieden zu sein. So. Ich muss bleiben, wenn unser Plan gelingen soll. Und du musst aus demselben Grunde gehen. Leider weißt du das, nicht wahr, Pham?«
Pham schaute zu den echten Fenstern hinaus, die Suras Penthouse umgaben. Sie befanden sich auf einem Büroturm, der weit über dem größten Megalopolis-Mond von Namqem emporragte. Die Immobilienpreise für Büros auf Tarelsk lagen so schwindelerregend hoch, dass es angesichts der Möglichkeiten, die Netzwerkkommunikation bot, schlechthin absurd war. Als dieser Turm zum letzten Mal auf dem Markt angeboten wurde, hätte man für die Jahresmiete der Penthouse-Etage ein Sternenschiff kaufen können. Seit siebzig Jahren besaßen nun Dschöng-Ho-Familien – größtenteils Nachkommen von Sura und ihm – den Turm und große Stücke des umliegenden Bürogebiets. Es war der kleinste Teil ihres Vermögens, ein Tribut an die Mode.
Jetzt war es früh am Abend. Die Sichel von Namqem hing tief am Himmel; die Lichter des Tarelsk-Bürobezirks machten dem Schein der Mutterwelt Konkurrenz. In rund einer Kilosekunde würde die Vinh & Mamso Schiffswerft aufgehen. Vinh & Mamso waren wahrscheinlich die größte Werft im Menschenraum. Doch selbst das war ein kleiner Teil vom Vermögen ihrer Familien. Und darüber hinaus erstreckte sich immer feiner, aber noch immer im Wachsen begriffen bis zu den Grenzen des Menschenraumes das gesamte Vermögen der Dschöng Ho. Er und Sura hatten die größte Kauffahrerkultur aller Zeiten begründet. So sah es Sura. Mehr sah sie nicht. Mehr hatte sie nie gewollt. Es machte Sura nichts aus, dass sie den endgültigen Erfolg nicht mehr erleben würde…, weil sie glaubte, dass er nie käme.
Also hielt Pham die Tränen zurück, die sich in seinen Augen sammeln wollten. Er umarmte Sura zärtlich und küsste sie auf den Hals. »Ja, ich weiß«, sagte er schließlich.
Pham verschob seinen Abflug von Namqem um zwei Jahre, um fünf. Er blieb so lange, dass der Große Zeitplan selbst durchbrochen wurde. Verabredungen würden nicht eingehalten werden. Noch mehr Verzögerungen, und der Plan selbst könnte scheitern. Und als er schließlich Sura verließ, starb etwas in ihm. Ihre Partnerschaft bestand weiter, sogar ihre Liebe, auf eine abstrakte Art. Doch zwischen ihnen hatte sich ein Abgrund von Zeit aufgetan, und er wusste, dass sie ihn nie mehr würden überbrücken können.
Als er hundert Jahre gelebt hatte, hatte Pham über dreißig Sonnensysteme und hundert Kulturen gesehen. Es gab Kauffahrer, die mehr gesehen hatten, doch nicht viele. Sura jedenfalls, daheim bei Namqem in die Planungsarbeit vergraben, sah nie soviel wie er. Sura hatte nur Bücher und Geschichtsdaten, Berichte aus weiter Ferne.
Für sesshafte Zivilisationen, sogar wenn sie Raumfahrt betrieben, dauerte nichts ewig. Es war ein ziemlich großes Wunder, dass die Menschheit lange genug überlebt hatte, um die Erde zu verlassen. Es gab so viele Arten, wie eine intelligente Rasse sich ausrotten konnte. Sackgassen und unkontrollierte Entwicklungen, Seuchen, Atmosphärenkatastrophen, der Aufschlag von Himmelskörpern – das waren die einfachsten Gefahren. Die Menschheit hatte lange genug gelebt, um einige dieser Bedrohungen zu erfassen. Doch selbst bei größter Sorgfalt trug eine technische Zivilisation die Saat ihrer Zerstörung in sich. Früher oder später erstarrte sie, und die Politik führte sie in den Niedergang. Nuwen war auf Canberra mitten in einem dunklen Zeitalter geboren worden. Er wusste jetzt, dass die Katastrophen nach manchen Maßstäben gelinde gewesen waren – immerhin hatte die Menschheit auf Canberra überlebt, wenngleich sie ihre hoch entwickelte Technik eingebüßt hatte. Es gab Welten, die Pham in seinen ersten hundert Jahren mehrfach besuchte. Manchmal lagen Jahrhunderte zwischen den Besuchen. Er sah, wie die Utopie von Neumars in Übervölkerung und Diktatur zerrann, wie die Ozeanstädte Slums für Milliarden wurden. Siebzig Jahre später fand er eine Welt mit einer Bevölkerung von einer Million vor, eine Welt von kleinen Dörfern, von Wilden mit bemalten Gesichtern und Handäxten und herzzerreißenden Liedern. Die Reise wäre ein Flop gewesen, hätte es nicht die Gesänge von Vilnios gegeben. Doch im Vergleich zu den toten Welten hatte Neumars Glück gehabt. Die Alte Erde war seit dem Beginn der Diaspora viermal ganz von vorn
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