Eine Tiefe Am Himmel
Phams Arm zurück – und traf auf die Gurte, die sie niederhielten.
»Entschuldigung«, murmelte er, und sie hörte, wie die Fesseln abfielen. Und jetzt spielte es keine Rolle. Sie krümmte sich zu einer Kugel zusammen, war sich seiner tröstenden Hand kaum bewusst. Er redete mit ihr, einfache Dinge, die er wieder und wieder auf verschiedene Weise wiederholte. »Es ist jetzt gut, Anne. Tomas Nau ist tot. Es ist seit vier Tagen tot. Sie sind frei. Wir alle sind frei…«
Nach einer Weile schwieg er, nur die Berührung seines Arms an ihren Schultern kündete von seiner Anwesenheit. Ihr Schluchzen klang ab. Jetzt gab es keinen Schrecken mehr. Das Schlimmste war geschehen, immer wieder, und was blieb, war tot und leer.
Zeit verstrich.
Sie fühlte, wie sich ihr Körper langsam entspannte, streckte. Sie zwang ihre fest geschlossenen Augen auf, zwang sich, sich umzuwenden und Pham anzuschauen. Ihr Gesicht schmerzte vom Weinen, und wie sehr wünschte sie, ihr würde ein millionenfacher Schmerz zugefügt. »Sie… Sie sollen verflucht sein, dass Sie mich zurückgeholt haben. Lassen Sie mich jetzt sterben.«
Pham schaute sie ruhig an, seine Augen waren weit offen und aufmerksam. Die Großspurigkeit war verschwunden, von der sie immer geahnt hatte, dass sie vorgetäuscht war. Stattdessen Intelligenz… Ehrfurcht? Nein, das konnte nicht sein. Er griff neben ihr herab und legte die weißen Andelirs wieder auf ihren Schoß. Die verdammten Dinger waren warm, pelzig. Schön. Er schien ihre Forderung zu bedenken, doch dann schüttelte er den Kopf. »Sie dürfen uns noch nicht verlassen, Anne. Es gibt hier noch über zweitausend fokussierte Menschen. Sie können sie befreien, Anne.« Er wies auf die Fokusgeräte hinter ihr. »Ich hatte das Gefühl, dass Al Hom Roulette spielte, als er an Ihnen arbeitete.«
Ich kann sie befreien. Der Gedanke war die erste Helligkeit in all den Jahren seit jenem Morgen in den Bergen. Er musste in ihren Gesichtsausdruck durchgesickert sein, denn auf Phams Lippen erschien ein hoffnungsvolles Lächeln. Anne spürte, wie sich ihre Augen verengten. Sie wusste über Fokus so viel wie nur irgendein Balacreaner. Sie kannte alle Tricks des Umfokussierens, des Umlenkens der Loyalität. »Pham Trinli – Pham Wer-auch-immer –, ich habe Sie viele Jahre lang beobachtet. Fast von Anfang an. Ich glaubte, dass Sie gegen Tomas arbeiteten. Doch ich sah auch, wie sehr Sie die Idee des Fokus liebten. Es hat Sie nach dieser Macht gelüstet, nicht wahr?«
Das Lächeln schwand aus seinem Gesicht. Er nickte langsam. »Ich habe gesehen… ich habe gesehen, dass mir Fokus das verschaffen konnte, wofür ich ein Leben lang gekämpft hatte. Und am Ende sah ich, dass der Preis zu hoch ist.« Er zuckte die Achseln und senkte den Blick wie beschämt.
Anne starrte in dieses Gesicht und dachte nach. Es hatte eine Zeit gegeben, da nicht einmal Tomas Nau sie täuschen konnte. Als Anne fokussiert war, waren die Kanten ihres Geistes rasiermesserscharf gewesen, ungetrübt von Ablenkungen und Wunschdenken – und Tomas’ wahre Absichten zu kennen, nützte ihr nicht mehr, als wenn ein Beil weiß, dass es zum Morden dient. Jetzt war sie sich nicht sicher. Dieser Mann log vielleicht, doch was er von ihr verlangte, war, wonach sie sich mehr als nach allem anderen auf der Welt sehnte. Und dann, wenn sie ihre Schuld beglichen hatte, so gut sie es vermochte, konnte sie sterben. Sie erwiderte sein Achselzucken. »Tomas Nau hat Sie über Fokus belogen.«
»Er hat über vieles gelogen.«
»Ich kann es besser machen als Trud Silipan und Bil Phuong, aber es wird trotzdem Misserfolge geben.« Und der größte Schrecken: Es würde Menschen geben, die sie dafür verfluchten, dass sie sie zurückgeholt hatte.
Pham langte über die Blumen hinweg und nahm ihre Hand. »Gut. Aber Sie werden Ihr Möglichstes tun.«
Sie schaute auf diese Hand hinab. Noch immer quoll Blut aus der klaffenden Wunde, die sie in die Seite seiner Handfläche gebissen hatte. Irgendwie log der Mann, doch wenn er sie die anderen defokussieren ließ… Geh darauf ein. »Sie haben jetzt das Kommando?«
Pham kicherte. »Ich habe einiges zu sagen. Gewisse Spinnen haben mehr zu sagen. Es ist kompliziert, und es ist noch im Chaos. Vor vierhundert Kilosek hatte noch Tomas Nau das Kommando.« Sein Lächeln wurde breiter, begeisterter. »Aber in hundert Megasek, zweihundert Megasek, glaube ich, werden wir eine Renaissance erleben. Wir werden unsere Schiffe reparieren lassen.
Weitere Kostenlose Bücher