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Eine tolle Zeit

Eine tolle Zeit

Titel: Eine tolle Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fritz Leiber
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Drinks, wobei der Römer Beau bekümmerte, indem er Scotch und Soda einem falernischen Wein vorzog, und im nächsten Augenblick redeten alle in Stundenkilometertempo durcheinander.
    Wir hatten auch allerlei nachzuholen. Das übliche Gerede über den Krieg – »Die Schlangen legen Minenfelder in der Leere.« – »Das glaube ich nicht, wie kann man ein Nichts verminen?« – und die Rationierungen – Bourbon, Haarspangen und Stabilitin, das Markus schneller wieder zu sich gebracht hätte – und was aus Leuten geworden war – »Marcia? Oh, sie ist nicht mehr bei uns.« (Sie war in einen Veränderungsstrom geraten und hatte sich innerhalb von Sekunden in ein grünes, stinkendes Etwas verwandelt, aber das würde ich nicht sagen) – und Markus mußte von Bruces Handschuh erfahren, was uns wieder in Lachkrämpfe stürzte – und der Römer erinnerte sich an einen Legionär, der eine Klage bis zu Oktavius getragen hatte, weil ihm durch Zufall der unvorstellbare Luxus eines Zuc kerstücks anstelle des üblichen Salzes zuteil wurde –, und Erich fragte Sid, ob er ein neues Geistermädchen vorrätig habe, und Sid zupfte an seinem langen Bart wie der alte Ziegenbock, der er ja ist. »Fragst mich, geiler Allemand? Nay, wir haben da mehrere ausgesprochene Schönheiten, darunter eine österreichische Gräfin aus dem Straußschen Wien, und wenn wir nicht unser Schätzelchen hier hätten … Mnnn.«
    Ich stubste Erich mit dem Finger vor die Brust zwischen zwei hellschimmernde Totenkopfknöpfe. »Du, mein Kleiner von Hohenwald, bist für uns echte Mädchen eine Gefahr. Du hast es entschieden mit den unerwachten Geistern.«
    Er nannte mich seine kleine Dämonin und drückte mich ein wenig zu fest an sich, um mir zu beweisen, daß dies nicht so sei, dann schlug er vor, daß wir Bruce die Kunstgalerie zeigen sollten. Ich hielt das für eine brillante Idee, aber als ich sie ihm auszureden versuch te, stellte er sich stur an. Bruce und Lili waren durchaus gewillt, sich einmal dort umzusehen. Der Säbelschnitt war nur noch eine dünne, rote Linie an seiner Wange; sie hatte das getrocknete Blut fortgewaschen.
    Allerdings geht einem die Galerie ziemlich an die Nieren. Sie enthält zahlreiche Gemälde und Plastiken und Absonderlichkeiten von Soldaten, die sich hier erholt haben, und schon das Material, aus dem viele der Gebilde bestehen, sagt so manches über den Veränderungskrieg aus – Messingpatronen, abgespaltener Feuerstein, Bruchstücke antiker Tonkunst, zu futuristi schen Gebilden zusammengeleimt, eingestampftes In kagold, von einem Marsianer neu gehämmert, Rollen aus perlartigem lunanischem Draht, ein Temperabild auf einem von Rissen überzogenen Quarzrund, das einmal das Bullauge eines Raumschiffes gefüllt hatte, eine sumerische Inschrift, in einem Ziegel aus einem Atomofen gemeißelt.
    Zahlreich sind die Stücke in der Galerie, und ich finde immer neue. Sie gehen einem an die Nieren, wie ich schon sagte, wenn man an die Burschen denkt, die das alles gemacht haben, und an ihre Gedanken, und die fernen Zeiten und Orte, von denen sie kommen, und wenn ich manchmal niedergeschlagen bin, komme ich rüber und sehe mich um, damit ich mich noch mieser fühle und den Ansporn bekomme, mir selbst einen Tritt in Richtung gute Laune zu geben. Die Galerie ist die einzige Geschichte der Station, die es gibt, und sie verändert sich kaum, weil die Objekte darin und die Gefühle, die hier Form angenommen haben, den Veränderungswinden besser widerstehen als alles andere.
    Jetzt rauschte Erichs witziger Vortrag an den großen Ohren vorbei, die ich unter meinem Pagenschnitt verberge, und ich überlegte, wie schlimm es doch für uns ist, daß es nicht nur Veränderungen, sondern Veränderungen gibt. Man kann keinen Augenblick sicher sein, ob die Stimmung oder Vorstellung, die man eben hat, wirklich neu ist oder nur gerade in einem aufsteigt, weil die Vergangenheit durch die Spinnen oder Schlangen verändert wurde.
    Veränderungswinde tragen nicht nur den Tod herbei, sondern auch alles weniger Schlimme, bis hin zur winzigsten Vorstellung. Sie wehen unzählige tausend mal schneller, als sich die Zeit bewegt, aber niemand kann festlegen, um wieviel schneller oder wie weit ein solcher Wind vordringt oder welchen Schaden er anrichten wird oder wie schnell er sich wieder verläuft. Die Große Zeit ist eben keine Kleinigkeit.
    Wir Dämonen haben dabei die Angst, daß unsere Persönlichkeit plötzlich untergeht, und daß jemand anders in den

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