Eine Trillion Euro
durchzuführendes Referendum, das alle elektronischen Hilfsmittel benutzt, um die Meinung eines jeden zu erforschen und auszuwerten, der sich einloggen kann. Die Fragen sind einfach und sehr eindeutig. Es gibt nur eine einzige Wahl: Ja oder Nein. Ein Klick, und die Antwort ist sofort im Netz. Alle Ergebnisse werden in unermesslichen Datenbanken gesammelt. Ein weiterer Klick, und die UNO, die Europäische Union und die CIA (Confederacion Inter-Americae) sind in der Lage, die Legitimität der Umfrage zu überprüfen. Stellen Sie sich nur einmal diesen Zauber vor: In der ganzen Welt stellt jede Kaffeemaschine, jedes Handy, jede Computer-Mailbox, jeder Geldautomat, jedes öffentliche Terminal und jede Spielkonsole Fragen, Fragen, Fragen …
Ich bin überzeugt, dass wir hart zuschlagen müssen. Aber wenn ich nicht einmal in der Lage bin, meine eigenen Brüder und Schwestern zu überzeugen … Wenn ich keine sechs Leute überzeugen kann, wie soll ich es dann bei der gesamten Menschheit schaffen?
Ich bin kein Prediger. Ich verstehe mich nicht auf Worte der Vernunft, wenn es um Leidenschaft geht.
Ich bin mir meiner Illusionen durchaus bewusst. Ich kenne die Windmühlen, gegen die ich ankämpfe, aber ich möchte wenigstens ein winziges Sandkorn in die große Maschinerie dieser Welt streuen. Es soll mit einem Flüstern beginnen, das schließlich in einem lauten Brüllen enden wird.
Der große Menschenstamm, das Schicksal der Menschheit – das sind große, tönende Worte für ein sehr einfaches Ideal. Die Vereinigung von Menschen jenseits aller Gesellschaftsstrukturen, das Zusammentreffen ähnlicher Wertvorstellungen, der Einklang der gesamten Welt. Die unermessliche Zärtlichkeit des Planeten für eine mit sich selbst ausgesöhnte Welt. So sieht mein schönster Traum, mein ultimatives Wunschbild aus: mit der Welt Liebe zu machen, mit ihr die Lust und den Zauber des Bewusstseins und des Lebens zu teilen …
Aber mit den sehnsüchtigen Ergüssen gefühlsbetonter junger Mädchen ist keine Opposition zu machen. Mit sentimentalen Überzeugungen erschüttert man keine Massen. Mein Gott, ich habe Angst!
Alexandre eröffnet das Feuer:
»Du hast uns eine Falle gestellt, Man’. Das war nicht richtig.«
»Du weißt sehr gut, dass jetzt, hier und heute der richtige Moment ist, um die Operation zu starten. Zier dich nicht so. Das wäre eine Beleidigung unserer Intelligenz.«
Die Heftigkeit der Auseinandersetzung bringt die anderen zum Schweigen. Niamh lässt ihr Glas fallen. Schnaubend wischt Alexandre seine Befürchtungen beiseite.
»Entschuldige, Manon. Versuchen wir, uns wie zivilisierte Menschen zu benehmen.«
»Nichts anderes war meine Absicht.«
Wie jedes Mal spielt Hanke die Vermittlerin:
»Wie lauten denn deine Argumente? Spann uns nicht so auf die Folter …«
Ihr Blick wirkt immer irgendwie ironisch. Mit einem entschuldigenden Schulterzucken unterbreche ich sie; ich muss einfach einschreiten.
»Warte. Als Erstes sollten wir die Grundregeln für unser Gespräch festlegen. Wenn wir das nicht tun, kommen wir schnell vom Hölzchen aufs Stöckchen, das wisst ihr genau.
Die Regeln sind ganz einfach, und ihr kennt sie auch längst. Jeder darf seinen Standpunkt darlegen, ohne unterbrochen zu werden. Jeder Standpunkt wird ohne Wenn und Aber respektiert, denn keiner von uns hat die Wahrheit für sich gepachtet. Das Gesprächsthema des heutigen Abends liegt uns sehr am Herzen; trotzdem sollten wir uns bemühen, uns davon nicht blenden zu lassen. Egal ob beim Sprechen oder beim Zuhören – Schläge unter die Gürtellinie sind tabu, genau wie persönliche Befindlichkeiten. Wir wollen alle versuchen, ruhig zu bleiben, aber wenn einer von uns sich von seinem Enthusiasmus mitreißen lässt, darf sich keiner auf den Schlips getreten fühlen …«
»Man’, glaubst du wirklich, dass das nötig ist?« Jan ist ein unverbesserlicher Optimist. Er ist nicht in der Lage, sich vorzustellen, dass wir wirklich uneins sein könnten. In der Welt der Klänge entsteht Harmonie oft aus Diskordanzen.
»Ich möchte alles richtig machen. Ich glaube, das ist ziemlich wichtig …«
Das erste Gefecht habe ich gewonnen. Die anderen blicken mich freundlich lächelnd an. Die Spannung ist auf ein erträgliches Maß gesunken. Trotzdem habe ich vor Angst noch immer einen Knoten im Magen. Ich wende mich an Alexandre. Ich weiß sehr genau, dass er nicht mehr mit dem Herzen dabei ist. Es schmerzt mich, dass ich wohl meinen besten Freund verlieren
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