Eine Trillion Euro
werde.
»Eigentlich weiß ich gar nicht, ob ich das Recht habe, dieses Projekt zu vertreten …«
Thomas wird blass. Nasr richtet sich zum Protest auf. Aber Alexandre beruhigt sie mit einer Geste.
»Lasst mich dazu etwas sagen. Ich weiß nicht, ob ich das Recht habe, dieses Projekt zu vertreten, weil ich mir nicht sicher bin, ob ich noch an die Ideale glaube, auf die es sich gründet.«
Wenn er spricht, verursacht er immer die gleiche Wirkung. Seine Augen sprühen Funken; seine Emotionen werden spürbar, und er weiß sie an den Mann zu bringen. Er ist einfach faszinierend, er zieht uns in seinen Bann. Aber heute macht er mir Angst.
»Ich möchte euch meine Zurückhaltung erklären, das bin ich euch schuldig. Meine Arbeit … Ich werde mit Schlüssen konfrontiert, die mich erschrecken. Das moderne Leben tötet unsere Vielfalt, und der Fortschritt zerstört das Wertvollste, was wir besitzen: unsere Identität.«
Wir schwiegen respektvoll. Zärtlichkeit und Vorsicht mischen sich in meine Angst.
»Ich weiß, das klingt ziemlich abstrakt. Aber es bewegt mich zutiefst. Es stört mich auch, weil ich den Eindruck habe, euch zu verraten. Aber ich glaube einfach nicht mehr daran, dass das Schicksal der Menschheit ein großer gemeinsamer Stamm ist. Ich glaube auch nicht, dass wir dazu bestimmt sind, uns gegenseitig anzuerkennen und zu vermischen.
Als wir zueinander fanden, haben wir unsere Einzigartigkeit verloren und sind in fehlender Identität ertrunken. Wir haben nichts anderes getan, als uns gegenseitig zu beeinflussen, uns anzustecken und uns immer mehr zu verlieren. Die Kolonisierung hat es deutlich gemacht. Man kann die Heisenberg’sche Unschärferelation ebenso gut auf Menschen wie auf Teilchen anwenden. Selbst mit den ausgeklügeltsten Vorsichtsmaßnahmen ließe sich der Vorgang weder aufhalten noch bremsen.
Genau wie ihr habe ich lange Zeit geglaubt, dass wir das retten könnten, was uns geblieben war, indem wir die Unterschiede zugunsten der Ähnlichkeiten opferten. Jetzt aber habe ich nicht mehr den geringsten Zweifel. Allein das Wissen um die Existenz von anderem genügt, unsere Vielfalt zu zerstören.
Seht euch doch nur unsere Gruppe hier an. Wir kennen uns jetzt so lange, dass wir uns inzwischen alle ähneln. Wir müssen Regeln aufstellen, ehe wir miteinander reden, um nicht den Versuchungen der Gestaltpsychologie zu erliegen. Wir merken, dass die kleinste Nicht-Übereinstimmung uns schmerzt. Gerade heute Abend spüren wir das ganz besonders.
Ich kann wirklich nicht sagen, ob ich die Ideale noch teile, die uns so viele Jahre lang zusammen gehalten haben. Ich weiß nicht, ob ich die Auflösung ertrage und ob ich der Versuchung widerstehen kann. Wir wollen uns unbedingt ähnlich sein. Allzu dringend benötigen wir die Zustimmung, die Wertschätzung, die Absicherung der sechs anderen. Auch ich würde mich liebend gern da hineinfallen und mich davon auffangen lassen.
Aber stellt euch doch einmal vor, was das auf planetarer Ebene bedeutet …
Niemals würde ich mir verzeihen, wenn ich mich trotzdem daran beteiligen würde. Ich kann mich nicht für etwas verbürgen, das die letzten Reichtümer zerstört …«
Alexandres lyrische Ader bringt mich aus der Fassung. In seinem Plädoyer liegt so viel Feuer, so viel Schmerz. Niamh hat Tränen in den Augen. Jan ist ein wenig peinlich berührt, allerdings längst nicht so sehr wie Nasr. Thomas hört gebannt zu. Ich habe Alexandre noch nie so aufgelöst erlebt. Seine Entscheidung erschreckt mich. Mein Freund will sich aus der Welt zurückziehen. Mein Bruder will die Menschen verleugnen. Ich fühle mich verloren und greife nach Jans Hand. Er drückt sie fest, steht auf und nimmt mich in die Arme. Auch Alexandre steht auf. Er fährt fort:
»So viele Dinge sind von der Zeit aus unserem Gedächtnis gelöscht worden. Jeden Tag verschwindet eine Tradition, und ein Mythos wird vergessen. Ich ertrage es nicht, also warum soll ich dafür geradestehen?
Vor langer Zeit habe ich mich entschlossen, mein Leben der Bewahrung und Rettung dessen zu widmen, was ich für das wertvollste Erbe der Menschheit halte: der Kulturen, der Geschichte, der Riten, des Glaubens, des Ausdrucks unserer Unterschiede. Ich will versuchen, Künstliche Intelligenzen zu entwerfen, in denen unsere Mythen abgespeichert werden. Ein ganzes KI-Netzwerk, das für alle Ewigkeit die Identität jedes einzelnen Volkes bewahrt, das je auf der Erde gelebt hat.
Es ist schmerzlich, dass es so viele Dinge
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